#bayernkreativPORTRAIT: Katharina und Kristina stammen beide aus Oberfranken und lernen sich 2008 während eines Auslandsjahrs in Südengland kennen. Gemeinsam gründen sie ihr Unternehmen urnfold in Regensburg. In Handarbeit fertigen sie nachhaltige, ästhetische und gestaltbare Urnen primär aus Papier. Ausgezeichnet wurde urnfold mit mehreren Preisen, u. a. mit dem German Design Award Special 2024. Im Interview erzählen die beiden Kultur- und Kreativpilotinnen, wie sie auf die Idee kamen, ökologische Papierurnen zu designen, und welche Bedeutung der persönlichen Gestaltung einer Urne im Trauerprozess zukommt. Die beiden Gründerinnen sprechen auch über die positive Resonanz in einer sich im Wandel befindenden Bestattungsbranche und über ihre Zukunftspläne.

Katharina & kristina | urnfold

Foto: Thomas Bienieck

Liebe Katharina, liebe Kristina, erstmal herzlichen Glückwunsch zur Auszeichnung als Kultur- und Kreativpilotinnen 2024! Mit eurem Unternehmen urnfold widmet ihr euch der Herstellung nachhaltiger, ästhetischer und persönlicher Bestattungsurnen und habt damit ein ganz außergewöhnliches Konzept ins Leben gerufen. Wie seid ihr beide auf diese Idee gekommen?

Vielen Dank für die Glückwünsche, wir freuen uns sehr über die Auszeichnung! 2014 hat Kristina ihren Vater an Krebs verloren und ihm damals selbst eine Urne aus Holz gebaut, weil sie aus dem damaligen Angebot leider keine Urne als passend empfand. Diese wirkten aus der Zeit gefallen und sehr unpersönlich. Im Nachhinein hat sie festgestellt, dass sich die persönliche Auseinandersetzung und die Gestaltung der Urne als sehr hilfreich im Trauerprozess herausstellte. Nachdem wir über die Jahre hinweg immer wieder Trauerfeiern erlebt haben, bei der die Gestaltung der Urne nicht zur Person gepasst hat, haben wir uns das Produkt Urne einmal aus der Designperspektive angesehen. Eigentlich ist eine Urne nämlich nichts anderes als eine letzte Verpackung. Deren Aufgabe ist es, die Aschekapsel während der Trauerfeier ästhetisch und emotional aufzuwerten und nach der Beisetzung möglichst schnell und rückstandslos in den natürlichen Kreislauf überzugehen. Wir wollten Menschen eine Grundlage bieten, Einfluss auf die Gestaltung ihrer Urne zu nehmen und das klassische, bisweilen etwas antiquierte Bild, wie eine Urne auszusehen hat, aufbrechen.

Ihr habt euch 2008 in Südengland kennengelernt, euer Unternehmen hat ihren Sitz in Regensburg. Wie kam es dazu, dass ihr euch dazu entschieden habt, gemeinsam ein Unternehmen zu gründen und wieso hat es euch dafür nach Bayern verschlagen?

Wir beide kommen ursprünglich aus Bayern, wenn auch nicht aus der Oberpfalz – wir sind Oberfränkinnen. In England haben wir zusammen ein Auslandsjahr verbracht und sind seitdem eng befreundet. Wir sind sehr unterschiedlich, sowohl was unsere Persönlichkeiten als auch unsere Kompetenzen angeht, ergänzen uns dadurch aber gut. Das hilft bei der Gründung. Dass es letztendlich Regensburg geworden ist, war ein bisschen Zufall: Katharina wohnt hier bereits seit 2018 und Kristina ist dann 2021 aus Bamberg nachgekommen, da sie neben urnfold an der Uni Regensburg den Master Perimortale Wissenschaften studiert – Sterben, Tod und Trauer interdisziplinär.

Ihr legt bei euren Urnen besonders großen Wert darauf, Nachhaltigkeit und Ästhetik zusammenzubringen. Ihr setzt in erster Linie Papier als Material für eure Urnen ein. Woher bekommt ihr die Rohstoffe und wie sieht euer Produktionsprozess aus?

Wir haben uns aus Nachhaltigkeits- und vor allem auch aus Gestaltbarkeitsgründen für das Material Papier entschieden. Alle Menschen sind mit dem Umgang mit Papier vertraut, das senkt die Hürde, mit dem Objekt Urne noch einmal in Interaktion zu treten. Unsere Papiere stammen von der Büttenpapierfabrik Gmund am Tegernsee. Deren Ansprüche an Nachhaltigkeit sind sehr hoch und decken sich mit unseren. Gleichzeitig haben die Papiere eine hohe Qualität und auch Vielfalt – bei einem so emotional wichtigen Produkt wie einer Urne ist das entscheidend. Das Papier für unsere Seebestattungsurne stammt von der Firma Notpla aus London. Dort entsteht es als Nebenprodukt bei der Produktion für ökologisch abbaubaren Plastikersatz, ist aus Algenfasern und löst sich besonders gut im Meerwasser auf. Die Papierbögen werden zuerst maschinell vorgefalzt, und dann von uns von Hand gefaltet und zur fertigen Urne zusammengebaut.

Die Bestattungsbranche ist eher traditionell geprägt. Seid ihr während eurer Unternehmensgründung auf Widerstände gestoßen und wie habt ihr diese überwunden?

Prinzipiell ist die Branche eher konservativ eingestellt und träge, was Innovation betrifft. Das ist manchmal etwas mühselig, vor allem auch in der Kommunikation. Im persönlichen Kontakt mit den Bestattungshäusern und vor allem durch Gespräche mit An- und Zugehörigen lassen sich viele neue Impulse setzen und dazu anregen, alte Konzepte zu überdenken. Darüber hinaus versuchen wir auch für die Themen Sterben, Tod und Trauer Gesprächsräume zu eröffnen, entweder persönlich im Gespräch oder über Social Media. So finden neue Ideen langsam Einzug in ein traditionell geprägtes Feld. Gleichzeitig sind wir nicht die Einzigen, die gerne etwas verändern möchten. Seit einigen Jahren ist die Bestattungsbranche im Wandel, mehr Menschen sehen Handlungsbedarf und deshalb arbeiten wir inzwischen mit vielen progressiv arbeitenden Bestattungsinstituten zusammen. Dort erfahren wir viel Unterstützung und positives Feedback. Davon gibt es zunehmend mehr.

Warum glaubt ihr, dass in der Bestattungsbranche bisher verhältnismäßig wenig Wert auf Nachhaltigkeit, Design und Ästhetik gelegt wird?

Das hängt unseres Eindrucks nach damit zusammen, dass sich die meisten Menschen erst im Akutfall damit beschäftigen. Die Situation ist überfordernd und Menschen haben das Gefühl, nach einem bestimmten Schema handeln zu müssen, seien es die angebotenen Produkte oder der zeitliche und organisatorische Ablauf. Es gibt zwar viele Alternativen, aber die muss man kennen. Deshalb versuchen wir, Menschen im Vorhinein Lust zu machen, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen und sich Gedanken darüber zu machen, was sie sich für ihre eigene und die Bestattung ihrer Lieben wünschen. Denn nur dann finden persönliche Werte und Ansprüche wie Nachhaltigkeit, Design und Ästhetik auch Raum in der Umsetzung.

Tod und Trauer sind natürlich sehr sensible Themen und jeder Mensch hat seine eigene Art damit umzugehen. Wie helfen eure Produkte den Menschen bei der Trauerbewältigung?

Wir schaffen mit unseren Urnen eine Grundlage zur persönlichen Gestaltung. Das heißt nicht, dass man sie noch gestalten muss, aber sie sind dafür gedacht, sie sich zu eigen zu machen und nochmal damit zu interagieren. In der Interaktion kann viel Trost liegen, noch etwas mitgeben zu können, noch einmal das Gefühl zu bekommen, eine Verbindung zur verstorbenen Person herzustellen. Gerade bei einer Kremation ist der Moment, wenn man dann der Urne gegenübersteht, sehr abstrakt. Vor kurzer Zeit war da noch eine Person, jetzt steht sie in sehr komprimierter Form als Asche in diesem Behältnis vor einem. Wir versuchen, durch die Möglichkeit der persönlichen Gestaltung zu unterstützen diese Abstraktion etwas greifbarer zu machen und ein Stück weit die Distanz zu überbrücken.

Wie reagieren die Menschen auf euren innovativen Ansatz? Gibt es Vorbehalte oder habt ihr möglicherweise sogar einen Nerv getroffen, der vorher noch nicht bedient wurde?

Im Gespräch mit Menschen über unsere Urnen und das Konzept bekommen wir sehr positives Feedback. Dadurch, dass den Urnen eine gewisse Leichtigkeit anmutet, finden viele einen leichteren Einstieg in das an sich eher schwere Thema. Wir merken auch, dass bei aller Tabuisierung, die auf einer persönlichen Ebene durchaus besteht, grundsätzlich ein starkes Bedürfnis der Menschen da ist, über den Tod und alles, was dazugehört, zu sprechen. In den meisten Fällen sind die Leute im ersten Moment verdutzt, wenn wir erzählen, dass wir Urnen machen. Oft wird angenommen es wären Lampenschirme. Das ist ein guter Gesprächseinstieg. Dann fangen die Menschen aber sofort an, von ihren eigenen Erfahrungen zu erzählen. Wir hören viele Geschichten von vergangenen Beisetzungen, schöne und schreckliche. Die Menschen erzählen uns auch ihre eigenen Wünsche und Gedanken hinsichtlich ihres Lebensendes. Oft hören wir „ach, hätte es euch damals schon gegeben“, oder „wenn ich gewusst hätte, was alles möglich ist …“. Wir glauben schon, dass wir einen Nerv getroffen haben. Bedenken gibt es meistens eher hinsichtlich der juristischen Regelungen oder der Stabilität. Die können wir jedoch schnell ausräumen: Unsere Papiere sind hochwertig und werden durch die Faltung sehr stabil. Die Urnen entsprechen den Vorschriften auf deutschen Friedhöfen und sind sogar für den FriedWald zugelassen. 

Wie sehen eure Pläne für die Zukunft aus?

Wir haben uns die letzten zwei Jahre ausgiebig damit beschäftigt, unser erstes Produkt – die Papierurne – marktreif zu bekommen. Das haben wir geschafft. Das Produkt steht und ist nach einigen Verbesserungsrunden nun komplett fertig. In unmittelbarer Zukunft stehen wir nun vor der Aufgabe, die Produktion so zu skalieren und zu optimieren, dass wir uns unserem langfristigen Ziel widmen können: uns dem perimortalen Raum aus Designperspektive anzunehmen um nachhaltige, ästhetisch ansprechende Alternativen zu schaffen und neue Impulse rund um das Ende des Lebens zu geben. 

Die bayerische Kultur- und Kreativwirtschaft ist vital, kooperativ, vielstimmig und zukunftsrelevant. Wir stellen dir bayerische Akteurinnen und Akteure vor. Wie gestaltet sich deren Geschäftsmodell? Was treibt sie an?

Du möchtest uns auch gerne ein paar Fragen beantworten und Teil unserer Kampagne „bayernkreativPORTRAIT“ sein? Dann schreibe uns gerne eine E-Mail an kontakt@bayern-kreativ.de mit dem Stichwort „bayernkreativPORTRAIT“.