#bayernkreativPORTRAIT: Ein Blick in das kreative Leben von Pauline, einer Schriftstellerin, Moderatorin und Diplom-Psychologin, die mit Worten Welten erschafft. Entdecke in unserem bayernkreativPORTRAIT, wie Paulines Liebe zu Worten und Sprache sie auf den Weg des Schreibens führte, welche Rolle Psychologie in ihrem kreativen Schaffen spielt und wie sie demenzkranken Menschen durch Gedichte eine neue Form der Gedächtnisrehabilitation ermöglicht. Ein Interview, das die Magie der Worte und die Vielseitigkeit des kreativen Ausdrucks beleuchtet – hier erfährst du mehr über Pauline und ihre Pläne für die Zukunft.

Pauline Fueg

Foto: Vanessa Daher Style: 2hand.shop Makeup: Magdalena Rohrwild

Liebe Pauline, du bist Schriftstellerin, Moderatorin, Diplom-Psychologin und noch vieles mehr. Magst du uns etwas darüber erzählen, wie du zum Schreiben gekommen bist und was dich an dieser Kunstform fasziniert?

Mich haben schon als kleines Kind Worte und Sprache fasziniert. Als ich sprechen lernte, habe ich meine Eltern immer gefragt, worauf sich ein Wort reimt. In der Schule habe ich dann alles verschlungen, was es zu lesen gab. Ich war großer, drei ??? Fan und habe in der Bibliothek alle Bücher gelesen. Besonders faszinierte mich Justus Jonas, und ich wollte ihn unbedingt treffen, ohne zu begreifen, dass er nur eine ausgedachte Figur war. Daher beschloss ich, Detektivin zu werden, um Justus Jonas kennenzulernen. Da mir selbst kein spannender Fall passiert ist, den ich lösen konnte, begann ich, mir meine eigenen Detektivgeschichten auszudenken. Das waren meine ersten Geschichten, die ich geschrieben habe. Und dann habe ich einfach nicht mehr aufgehört zu schreiben. Ich hatte immer Notizbücher dabei, um alles festzuhalten. Ich denke, mich interessieren einfach Menschen und ich beobachte gerne, was um mich herum passiert. Deswegen habe ich auch Psychologie studiert. Die Kombination beider Interessen ist für mich perfekt. Ich liebe meinen Beruf, weil er so vielfältig ist und weil keine Woche ist wie die andere. Am Schreiben fasziniert mich der Klang der Sprache und aber auch ganz simpel: Das Verdichten von Sprache in Gedichten – wie kann ich mit wenigen Worten etwas Großes ausdrücken und damit vielleicht auch noch in anderen etwas bewegen?

Du bietest Workshops für kreatives Schreiben und Fortbildungen für Lehrerinnen und Lehrer zum Thema Poetry-Slam an. Wie beeinflusst deine Ausbildung als Psychologin deine Arbeit als Schriftstellerin und Coachin?

Ich kann die Psychologin in mir einfach nicht ignorieren, und das ist auch gut so. Natürlich habe ich einen anderen Blick auf Gruppen- und Lernprozesse und kann schnell erfassen, was in einer Schulklasse gerade los ist und welche Themen präsent sind. Schreiben kann sehr sensible Themen bei Menschen ansprechen, und im Workshop habe ich die Möglichkeit, damit umzugehen. Ich arbeite beispielsweise mit geflüchteten Menschen, Menschen mit Behinderungen und Jugendlichen an Förderschulen. Mir ist es wichtig, dass jeder schreiben kann, und ich verwende verschiedene Methoden, um kreative Ideen in verschiedenen Gruppen zu fördern. Ich gehe also pädagogisch, psychologisch, literarisch und künstlerisch an Workshops heran. Ich merke, dass diese Kombination gut funktioniert und auch Lehrerinnen und Lehrer davon profitieren, zu wissen, dass ich auch einen pädagogischen Blick auf die Jugendlichen habe.

Wie gestaltest du deine Schreibworkshops und was wünscht du dir, dass die Teilnehmenden daraus mitnehmen?

Ich gestalte jeden Workshop individuell, je nach Zusammensetzung der Gruppe, Thema und Alterskohorte. Es gibt natürlich Übungen, die ich gerne verwende, da sie in allen Workshops gut funktionieren, wie zum Beispiel das Schreiben von Elfchen. Mir ist wichtig, dass am Ende jeder Teilnehmende gelernt hat, dass kreatives Schreiben gar nicht so schwierig ist, und dass sie Methoden haben, ihre eigenen Gedanken kreativ umzusetzen. Es ist schön, wenn ich Menschen über mehrere Jahre begleiten kann und sehe, wie sie sich beim Schreiben entwickeln. Für das Theater Ingolstadt gebe ich zusammen mit meinem Kollegen Tobias Heyel seit über zehn Jahren Poetry Slam-Schreibworkshops. Wir haben auch in der Pandemie weiter gemacht und zwar online über Zoom. Manche Jugendlichen haben wir erst nach zwei Jahren live getroffen. Mittlerweile haben sie eine Schreibgruppe gegründet und geben sich Tipps, wo sie überall auftreten können. Außerdem treten sie zum Beispiel bei den deutschsprachigen Meister Innenschaften in Poetry SLAM an und ich begleite sie dorthin. Für mich gibt es nichts schöneres als Menschen auf ihren ganz individuellen Weg, der das Kreative Schreiben betrifft, zu unterstützen. Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben immer die Möglichkeit, sich auch Jahre später bei Fragen zu Texten oder für Vernetzung bei mir per E-Mail zu melden.

Du hast zusammen mit Prof. Dr. Henrikje Stanze eine eigene Therapieform zur Gedächtnisrehabilitation entwickelt, bei der demenzerkrankte Menschen Gedichte vortragen und selbst verfassen können. Welche Erfahrungen konntest du dabei sammeln? 

Wir haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht. Wir sehen, wie Menschen mit Demenz oder anderen kognitiven Einschränkungen an Lebensqualität gewinnen. Die Idee für das Projekt entstand, als wir vor über zehn Jahren Gary Glazner, den amerikanischen Erfinder dieses Konzepts, trafen. Henrikje Stanze und ich überlegten dann, wie wir es für den deutschsprachigen Markt weiterentwickeln könnten. Da die Gesellschaft immer älter wird und immer mehr Menschen an Demenz erkranken, müssen wir uns mit dieser Thematik auseinandersetzen und nach Alternativen zur medikamentösen Therapie suchen. In den letzten Jahren haben wir das Konzept auch mit anderen Gruppen unter dem Titel „KunstPoesie“ weiterentwickelt, zum Beispiel mit Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Behinderungen. Dabei arbeiten wir regelmäßig mit Museen in Bayern zusammen, insbesondere dem Museum DASMAXIMUM in Traunreut im oberbayerischen Landkreis Traunstein.

Neben all dem moderierst du auch regelmäßig Poetry-Slams in ganz Süddeutschland und zusammen mit Tobias Heyel trittst du außerdem als großraumdichten selbst mit slampoetry auf der Bühne auf. Was bereitet dir mehr Freude: Das Schreiben am heimischen Schreibtisch oder das Performen auf der Bühne?   

Beides macht mir gleich viel Spaß, und es gibt immer unterschiedliche Phasen. Die Phase, in der ich mehr schreibe und recherchiere, und dann die Phase, in der das Geschriebene auf die Bühne kommt. Allerdings verdiene ich mit dem Schreiben an sich kein Geld, daher muss ich immer gut koordinieren, wie ich mir Freiräume zum Schreiben schaffe. In den letzten Jahren habe ich mir meistens den August als kreative Auszeit genommen. In dieser Zeit sammle ich Ideen für Texte oder finde Ruhe, ohne ständig unterwegs zu sein. Ich denke darüber nach, wie meine nächsten kreativen Projekte aussehen sollen. Ich habe festgestellt, dass Reisen sehr inspirierend für mich ist und viele Ideen für Texte liefert. Mein größter Traum wäre es, für ein Jahr zu reisen und zu schreiben. Aber natürlich gehören auch die Bühnenauftritte dazu, und sie machen meinen Job so schön für mich.

2021 ist dein zweiter Lyrik-Band „nach der Illusion“ im Lektora-Verlag erschienen. Welche Themen und Motive inspirieren dich zu deinen Gedichten?

Mich interessiert sehr, wie die Wahrnehmung von Wirklichkeiten ist und wie unterschiedlich sie aussehen kann. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass Menschen aufgrund einer psychischen Erkrankung wie Demenz, einer Psychose oder einer Depression die Welt einfach anders wahrnehmen. Gibt es in der Quantenphysik zwei Wirklichkeiten, die nebeneinander existieren, nämlich dass Quanten gleichzeitig als Welle und als Teil da sind? So etwas fasziniert mich. Und dann gibt es natürlich noch die Leidenschaft, sich absichtlich, zum Beispiel bei einer Zaubershow, täuschen zu lassen und sich mit einer gefälschten Wirklichkeit zu konfrontieren, von der man weiß, dass sie nicht einmal existiert. In dem Lyrikband habe ich auch bewusst darauf geachtet, dass durch Kleinschreibung und Zeilenumbrüche verschiedene Möglichkeiten der Lesart entstehen, also auch verschiedene Wirklichkeiten der Gedichte. Grundsätzlich inspiriert mich alles, was ich um mich herum wahrnehme. Manchmal erlebe ich eine Situation, die mich dann wirklich fasziniert, und ich schreibe wochenlang immer wieder neue Texte darüber. Manchmal gibt es ein Thema, bei dem ich sage, okay, dazu müsste man eigentlich etwas schreiben, und auch hier setze ich mich gerade sehr mit der Schnittmenge von Psychologie und Literatur auseinander.

Welche Projekte hast du für die Zukunft geplant? 

Gerade jetzt beschäftige ich mich intensiv mit der Frage, inwiefern künstliche Intelligenz und kreativer Ausdruck miteinander harmonieren können. Mit dem KI-Experten Michael Katzelberger arbeite ich an einem Projekt, in dem ich in einen lyrischen Dialog mit einer KI gehe. Außerdem arbeite ich eng mit dem Klangkünstler Burkard Schmidl zusammen, mit dem ich eine interaktive lyrische Klanginstallation entwickelt habe. Diese haben wir letztes Jahr im Heinz Nixdorf Museumsforum im Rahmen der Ausstellung „Poetry in digitalen Räumen“ ausgestellt. Außerdem habe ich seit Jahren eine Idee für einen Roman, an dem ich gerne weiterarbeiten würde. Dafür würde ich gerne einige Monate am Stück haben, um in Ruhe zu schreiben. Vielleicht klappt es ja mit einem Stipendium dafür. Und eine Idee für einen weiteren Lyrik-Band habe ich ebenfalls schon. Zum Glück gehen mir die Ideen bisher nicht aus.

Die bayerische Kultur- und Kreativwirtschaft ist vital, kooperativ, vielstimmig und zukunftsrelevant. Wir stellen dir bayerische Akteurinnen und Akteure vor. Wie gestaltet sich deren Geschäftsmodell? Was treibt sie an?

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