Fast unbemerkt hat sich Landsberg am Lech am Rande der beiden südbayerischen Metropolen München und Augsburg zu einem prosperierenden Zentrum entwickelt. Mit dem Programm „Unser Landsberg 2035 – gemeinsam Zukunft gestalten“ will die 29.000-Einwohner-Stadt gemeinsam mit ihren Bürgern, den unterschiedlichen Akteuren der Stadtgesellschaft und den Wirtschaftsunternehmen eine Strategie für die weitere Entwicklung der Stadt und ihrer Ortsteile entwickeln. Die Kultur- und Kreativwirtschaft spielt dabei eine wichtige Rolle.

Bereits heute gibt es in Landsberg am Lech eine aktive Kunst- und Kulturszene mit Theaterbühnen, Konzerten und Festivals. Viele Kreativarbeiter haben die Stadt am Lech mit ihrer schönen Altstadt längst als interessanten Lebens- und Arbeitsraum für sich entdeckt. Die pittoresken Gassen wie die Alte Bergstraße bieten Künstlern, Handwerkern, alteingesessenen Geschäften und außergewöhnlichen Läden unter anderem von Schmuckdesignern, Schneidern, Hutmachern und Galeristen eine Heimat. Die Stadt Landsberg am Lech möchte die Branche sichtbar machen, ihre Potenziale heben und Perspektiven aufzeigen. Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist daher ein integraler Bestandteil des Programms „Unser Landsberg 2035“, mit dem die Stadt ihre weitere Entwicklung unter Einbeziehung aller wichtigen Interessensgruppen strategisch planen möchte.

Im Zentrum des Programms „Unser Landsberg 2035 – gemeinsam Zukunft gestalten“ stehen zukunftsorientierte Zielsetzungen für alle Bereiche der Stadtentwicklung unter Berücksichtigung von Trends wie der demografischen Entwicklung, der E-Mobilität, der Digitalisierung und der Nachhaltigkeit. Die Verankerung erfolgt, gemäß der gesetzlichen Anforderungen, sowohl in der Haushaltsplanung als auch in der Räumlichen Planung.

Im Vorfeld des Workshops „Quo vadis kreative Stadt?“, den die Stadt Landsberg am Lech und bayernkreativ am Freitag, den 22. September 2017 organisieren, haben wir Kreativakteure aus Landsberg und Umgebung befragt.


 

Frank Gwosdz, Jahrgang 1979, ist in München geboren und auf einem Dorf nahe Landsberg am Lech aufgewachsen. Sein heutiger Unternehmensname „entre.prenerds“ ist Programm. Bereits als Jugendlicher verdiente Frank Gwosdz Geld mit der Reparatur und der Konfiguration von Computern, während des Informatikstudiums in München gründete er gemeinsam mit Kommilitonen sein erstes Unternehmen. Als eines der ersten Start-ups erhielt er damals eine Förderung aus dem Hightech-Gründerfonds. „Ich probiere gerne Neues aus. Weil ich mein erstes Unternehmen nach einigen Jahren gut verkaufen konnte, hatte ich den Spielraum, mein Wissen mit einem weiteren Studium abzurunden und immer wieder neue Geschäftsmodelle auszuprobieren“. Frank Gwosdz ist fasziniert von Virtual Reality, künstlicher Intelligenz und der Gamingbranche: „Sie deckt für mich wie keine andere Branche alle Faktoren der Kreativwirtschaft ab: Kunst und Kultur, Technologie und Wirtschaft“. Aktuell arbeitet Frank Gwodz auch an mehreren Projekten für Landsberg am Lech, unter anderem an einem digitalen Marktplatz und einer Veranstaltungsreihe.
www.entrepre.nerds.com

Was macht für Dich eine kreative Stadt aus?
Ich bin überzeugt, dass man Kreativität nicht künstlich erschaffen kann. Eine kreative Stadt muss ihren Bewohnern Nährboden und Raum geben, sich zu entfalten. Treffpunkte für den kontinuierlichen Austausch zwischen Kreativen, Bewohnern, Politikern, Wirtschaftsverbänden, etc. sind wichtig, weil Kreativität und Innovation eng zusammen liegen. Eine kreative Stadt sollte Kreativität und die Beteiligung an kreativen Projekten belohnen und ihre Bewohner an aktuellen Herausforderungen kreativ mitarbeiten lassen.“

Inwieweit findest Du dies bereits heute konkret in Landsberg am Lech?
„Das zeigt sich an diversen Kunst- und Kultur-Events, Projekten wie dem Industrial Maker Space oder dem Programm Landsberg 2035. Prinzipiell sind alle Firmen aus Landsberg kreativ – anders könnten Sie sich lokal, regional sowie international nicht vom Wettbewerb absetzen. Dies gilt insbesondere für viele kleine und mittelständische Firmen, die sehr oft nicht das Budget und die Marketing-Power haben.“

Was kann die Stadt Landsberg am Lech tun, um (noch) kreativer werden?
Kreativ sein bedeutet oft auch Chaos durch die Freiheit von Strukturen. Ich würde mir einen „Kreativitäts-Koordinator“ wünschen, der Kreativität unterstützt, einen Roten Faden legt und Strukturen schafft für die Ausarbeitung bzw. für die Ergebnisse. Das Profil der Person sollte eine gute Mischung aus Management und kreativem Kopf sein und möglichst unbürokratisch sein, weil Regeln wenig förderlich für Kreativität sind. Ich denke aber auch, dass sich jeder Einzelne in einen Kreativmodus schalten kann. Für mich persönlich ist es oft hilfreich, Dinge einfach anders zu machen, sprich gezielt aus dem Alltag zu treten und Neuland zu betreten. Das inspiriert und schafft den Raum, Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten, um so innovative Lösungen zu entwickeln.“

 


 

Edmund Epple wurde 1964 in München geboren und lebt seit seiner Kindheit in Landsberg am Lech. Als Kind einer musikalischen Mutter und eines kaufmännisch veranlagten Vaters war der Weg in die Kultur- und Kreativwirtschaft vorgezeichnet. Bereits als Gymnasiast organisierte Edmund Epple in Landsbergs selbstverwaltetem Jugendzentrum Veranstaltungen. Nach dem Abitur eröffnete er einen Schallplattenladen, gestaltete Programme für Clubs und Festivals, gründete ein Plattenlabel für Independentmusik und veröffentlichte auch selbst mehrere Stücke auf dem Landsberger Label „Hausmusik“. Eines davon wurde per Zufall als Musik eines TV-Spots in Asien erfolgreich. Der Plattenladen „Discy“ ist bis heute Dreh- und Angelpunkt aller Aktivitäten Edmund Epples. Das Urgestein der Landsberger Kulturszene konzipiert Ausstellungen, ist Musik-Programmplaner des Stadttheaters Landsberg am Lech und berät Firmen und Institutionen zu kulturellen Aktivitäten.
www.discy.de

Was macht für Dich eine kreative Stadt aus?
„Das Thema Kreative Stadt hat ja gerade Hochkonjunktur. Aber meist werden die Themen „Kultur“ und „Kreativität“ dabei in einen Topf geworfen und jeder pickt sich das heraus, was für ihn attraktiv ist. Für mich ist eine kreative Stadt eine soziale Stadt, in der man sich zu vielen Gelegenheiten treffen kann, mit vielfältigen kulturellen Optionen.“

Inwieweit findest Du dies bereits heute konkret in Landsberg am Lech?
„Landsberg bietet für eine „Kleinstadt“ überdurchschnittlich viel kulturelle Aktivitäten. Der wichtigste Schritt war mit Sicherheit die Restaurierung des Stadttheaters und der dort seit 1995 regelmäßig aus dem Kulturetat finanzierte Spielbetrieb. Dadurch konnte Landsberg ein hochwertiges und trotzdem relativ niedrigschwelliges kulturelles Angebot schaffen und die Aufmerksamkeit von Kulturinteressierten und kreativen Menschen auf sich zu ziehen. Das Meiste entstand allerdings aus ehrenamtlichem Engagement. Das nehmen heute viele Verantwortliche für meine Begriffe zu sehr als Selbstverständlichkeit wahr. Die Einrichtung des eigenständigen städtischen Ressorts „Kultur“ vor wenigen Jahren war ein längst überfälliger Schritt.

Was kann die Stadt Landsberg am Lech tun, um (noch) kreativer werden?
„Landsberg ist kein produzierender Standort, hat keine Bodenschätze oder ähnliches. Die Entwicklung der Stadt hängt also stark von der Kreativität ihrer Bewohner ab. Die Stadt sollte politisch und budgettechnisch die entsprechenden Weichen stellen, um ein möglichst attraktives Umfeld für Kultur und Wissenschaft herzustellen. Aufgrund seiner Historie hätte Landsberg zum Beispiel ein riesiges Potenzial, um als „Geschichtsstadt“ mit Dokumentationszentren und wissenschaftlichen Einrichtungen auf der Landkarte zu erscheinen. Bei allem Bemühen der Beteiligten greifen bisher alle Ideen hierzu viel zu kurz. Wichtig ist aber auch die Unterstützung von Gastronomie und Ladengeschäften, die der Stadt ihr Gesicht verleihen.“


Ruth Hecking ist in Landsberg aufgewachsen. Als 20-Jährige zog sie nach München, wo sie die Deutsche Meisterschule für Mode besuchte und lebte 15 Jahre in der Isar-Metropole und dem Bayerischen Oberland. Gearbeitet hat sie in dieser Zeit vor allem für den Film, bis sie 1999 am Fuß der Alten Bergstraße in der Landsberger Altstadt ihr Atelier eröffnete. Dort entwirft und näht sie seitdem maßgeschneiderte Mode und Accessoires. „Als junger Mensch muss man raus, um neue Erfahrungen zu machen, das ist ganz wichtig. Heute schätze ich an Landsberg das besondere Flair. Die kleine Stadt bietet alles, was das Leben angenehm macht“, schwärmt Ruth Hecking.
www.ruth-hecking.de

Was macht für Dich eine kreative Stadt aus?
Eine kreative Stadt ist eine Plattform für kreative Berufe aller Bereiche, für Künstler genauso wie für Schmuckdesigner, Graphiker oder Gameentwickler. Wenn sich Kreative wohlfühlen zieht das andere Kreative an. Entsprechend hoch ist in einer kreativen Stadt der Anteil der Einwohner, die in kreativen Berufen arbeiten. Eine kreative Stadt unterscheidet aber nicht zwischen künstlerisch-kreativ Arbeitenden und anderen Berufsgruppen. Nichtkünstlerische Berufe agieren selbstverständlich mit kreativen Berufen wie Grafikern und Designern.“

Inwieweit findest Du dies bereits heute konkret in Landsberg am Lech?
Landsberg hat ein großes kulturelles Angebot, von Theater bis Musik, Straßenfesten oder der Langen Kunstnacht. Viele handwerkliche Betriebe arbeiten kreativ und künstlerisch. Dass die Stadt Gemeinschaftsprojekte von Händlern und Künstlern wie das Bergstraßenfest und die Lange Kunstnacht fördert, zeigt, dass sie den Stellenwert der Kultur- und Kreativwirtschaft erkannt hat.“

Was kann die Stadt Landsberg am Lech tun, um (noch) kreativer werden?
In letzter Zeit nimmt der Tourismus in Landsberg spürbar zu. Davon profieren Kreative, die ihre Läden in der Altstadt haben. Eine bessere Navigation zu den Angeboten wäre sinnvoll, auch die Marke Landsberg sollte weiterentwickelt werden. Wichtig fände ich auch zusätzliche Vernetzungsangebote, damit sich Kreative besser austauschen können.“


Jürgen Farenholtz leitet in Landsberg am Lech eine international erfolgreiche Werbeagentur für Kunden aus unterschiedlichen Branchen. Seit 2014 organisiert er gemeinsam mit dem Filmregisseur Tom Bohn in Landsberg am Lech das „Snowdance Independent Film Festival“ und seit 2017 das Magic-Lake-Festival am Ammersee.
www.netmark5.de

Was macht für Dich eine kreative Stadt aus?
Offenheit für Ungewöhnliches.

Inwieweit findest Du dies bereits heute konkret in Landsberg am Lech?
Da gibt es noch viel Potenzial nach oben!

Was kann die Stadt Landsberg am Lech tun, um (noch) kreativer werden?
Räume schaffen – im wahrsten Sinne des Wortes und auch im Übertragenen. Eine kreative Stadt sollte ihren Bewohnern das Umfeld gewähren, um Ungewöhnliches zu schaffen, Neues auszuprobieren aber auch Altbekanntes neu zu entdecken und neu zu interpretieren. Oft kann auch mit kleineren Budgets viel erreicht werden – ganz nach dem Motto „Expect the unexpected!“