#bayernkreativPORTRAIT: Eye-Able® unterstützt Unternehmen und Organisationen mit eigens entwickelten Lösungen, ihre digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten. In unserem bayernkreativPORTRAIT erzählt uns Chris unter anderem, warum das Team von Eye-Able® hin und wieder gerne eine Extrameile geht, was Barrierefreiheit im Zeitalter der Digitalisierung konkret bedeutet und welcher persönlich Antrieb hinter der Geschäftsidee steckt. Und on top gibts von Chris noch wertvolle Tipps für Gründende, die am Anfang stehen.

Eye-Able

Bildnachweis: Web Inclusion GmbH

Liebes Eye-Able-Team, mit Eye-Able® wollt ihr digitale Barrierefreiheit vorantreiben. Wie genau definiert sich digitale Barrierefreiheit und wie funktioniert euer Modell?

Digitale Barrierefreiheit beschreibt die Möglichkeit für Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen oder Beeinträchtigungen, digitale Inhalte und Dienstleistungen nutzen zu können, ohne dabei aufgrund ihrer Behinderung benachteiligt zu werden. Das bedeutet, dass digitale Angebote so gestaltet werden, dass sie für alle Nutzerinnen und Nutzer zugänglich sind, unabhängig von deren individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten.

Hierbei können unter anderem Anpassungen bei der Farbwahl, Schriftgröße, Kontrastverhältnis oder der Navigation vorgenommen und Alternativtexte für Bilder und Videos verwendet werden. Mit Eye-Able Audit, dem zweiten Teil unserer Barrierefreiheits-Lösung, können dann automatisierte Testungen nach WCAG/BITV (Anm. der Redaktion: Web Content Accessibility Guidelines/Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung) durchgeführt werden. Das ist der rechtlich bindende Standard für digitale Barrierefreiheit in Deutschland. Abgerundet wird unser Service dann von einer Visualisierungssoftware sowie Schulungen und Workshops zum Thema. 

Bereits über 15.000.000 Menschen profitieren von den Eye-Able Services. Der Bedarf nach Barrierefreiheit im digitalen Raum ist also riesig. Welche Form der Unterstützung könnt ihr bereitstellen?  

Unser Modell bei Eye-Able basiert darauf, Unternehmen und Organisationen dabei zu unterstützen, ihre digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten. Wir bieten hierfür verschiedene Services an, unter anderem auch unsere zuvor erwähnte automatische Prüfsoftware. Diese unterstützt Websitebetreiberinnen und -betreiber dabei, ihre Systeme selbstständig auf deren Barrierefreiheit zu testen. So helfen wir die aktuellen gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen und damit immer auf dem neuesten Stand zu bleiben.

Barrierefreiheit-Checks sind auch Teil unseres Angebots. Dabei prüfen wir die Barrierefreiheit von Websites, Apps und anderen digitalen Produkten und geben konkrete Handlungsempfehlungen, um die Barrierefreiheit zu verbessern.

Zudem bieten wir Schulungen und Zertifizierungen an, um Unternehmen und Organisationen das notwendige Knowhow zu vermitteln, um ihre digitalen Angebote eigenständig barrierefrei zu gestalten und somit für alle Nutzerinnern und Nutzer zugänglich zu machen.

Seit wann gibt’s Eye-Able? Wie habt ihr euch kennengelernt?

Offiziell haben wir im Jahr 2020 gegründet. Oliver hatte die Idee während seines Studiums in Würzburg. Im Studium hat er auch Chris Schmidt kennengelernt. Beide studierten E-Commerce. Olivers Bruder, Tobias, ist Programmierer und ist, auch heute noch, bei der Uni Würzburg angestellt und promoviert. Komplettiert wird das Team dann mit Eric, er ist für die Finanzen zuständig.

Nachdem wir gegründet hatten, feilten wir noch weiter an der Idee und testeten weiter. Gemeinsam mit dem BFW aus Veitshöchheim und dem Blindeninstitut aus Würzburg. So richtig los ging es dann eigentlich im Jahr 2022. Hier startet unser Wachstum und die Reise begann so richtig.

Erzählt mal, was ist euer Antrieb? Wie kamt ihr zu eurer Geschäftsidee?

Die Geschichte hinter Eye-Able® ist geprägt von den persönlichen Erfahrungen des Geschäftsführers Oliver Greiner mit Menschen mit Behinderungen. Sein bester Freund Lennart, der heute als Usability-Tester zum Team gehört, sieht aufgrund einer genetisch bedingten Sehstörung etwa 10%. Dadurch hat Oliver einen direkten Bezug zu den Problemen, die Menschen mit Behinderungen tagtäglich auf Websites erleben. Nachdem sein Freund sein Studium wegen seiner Behinderung abbrechen musste, setzte er sich zum Ziel, eine Lösung für die individuellen Probleme zu finden, die Menschen tagtäglich auf Websites haben.
 
Digitale Medien sind für alle da, können aber nicht von allen genutzt werden. Viele Menschen denken bei Barrierefreiheit zunächst an Aufzüge, behindertengerechte Räume oder Ampeln mit akustischen Signalen. Doch was bedeutet Barrierefreiheit im Zeitalter der Digitalisierung? Laut einer Studie der Aktion Mensch zum Nutzungsverhalten von Menschen mit Behinderungen bedeutet sie, dass Menschen mit Behinderungen das Internet nutzen, das bedeutet wahrnehmen, verstehen, navigieren und interagieren können. Die Vereinten Nationen definieren in ihrer Menschenrechtskonvention von 2006 den ungehinderten Zugang zu Information und Kommunikation, zu dem auch das Internet gehört, sogar als ein grundlegendes Menschenrecht. 
 
Gleichzeitig bieten das Internet und die digitalen Medien die Möglichkeit, bisher bestehende Barrieren zu überwinden, die viele Menschen bei der Kommunikation und Interaktion miteinander erleben. Laut der Studie der Aktion Mensch nutzen Menschen mit Behinderungen das Internet häufiger als Menschen ohne Behinderungen. Demnach ist die elektronische Interaktion von besonderer Bedeutung, weil sie den Zugang zu bestimmten Angeboten erst ermöglicht. Es gibt aber auch rechtliche Fakten, die man beachten sollte, wenn es um digitale Barrierefreiheit geht. Inzwischen bekommt das Thema digitale Zugänglichkeit jedoch eine gesetzliche Grundlage. Öffentliche Einrichtungen sind bereits verpflichtet, ihre Inhalte digital zugänglich zu machen. Bis 2024 werden auch andere große Bereiche des öffentlichen und digitalen Lebens verpflichtet sein, Websites und Ähnliches barrierefrei zu gestalten; das Schlagwort heißt hier European Accessibility Act.

Ihr tragt den Titel der „Kultur- und Kreativpilot*innen 2022“. Warum habt ihr euch für das Programm beworben und was bedeutet dieser Titel für euch?

Wir haben uns beworben, um unsere Vision für digitale Barrierefreiheit einem breiteren Publikum bekannt zu machen und um uns mit anderen Unternehmen und Organisationen in diesem Bereich zu vernetzen. Der Titel Kultur- und Kreativpilot*innen Deutschland“ ist für uns eine große Ehre und bestätigt uns in unserer Arbeit. Wir möchten unsere Arbeit weiter ausbauen und unsere Vision für digitale Barrierefreiheit auf weitere Länder und Regionen ausweiten, um noch mehr Menschen einen gleichberechtigten Zugang zu digitalen Angeboten zu ermöglichen. 

Was bedeutet Inklusion für euch persönlich?

Inklusion bedeutet für uns nicht nur die Integration aller Menschen in unsere Gesellschaft, sondern auch das Schaffen eines Umfelds, in dem alle die gleichen Möglichkeiten und Rechte haben. In der heutigen Zeit ist das Internet weit mehr als nur ein Tool – es ist ein zentraler Bestandteil unseres Alltags, unserer Kommunikation und unserer Bildung geworden. Es eröffnet uns Türen zu Wissen, sozialen Verbindungen und beruflichen Chancen, die vor ein paar Jahrzehnten unvorstellbar waren.

Das Problem? Das Internet wurde nicht für alle gleichermaßen zugänglich gemacht. Viele Websites und Plattformen sind für viele Menschen schlichtweg nicht einfach oder gar nicht zu bedienen. Dies schließt eine beträchtliche Anzahl von Menschen vor den unglaublichen Möglichkeiten aus.

Unser Ziel ist es, das Internet zu einem Ort zu machen, an dem alle navigieren, lernen und sich verbinden können, unabhängig von allen äußeren Umständen. Wir arbeiten daran, die digitale Welt für alle zugänglich und angenehm zu gestalten.

Für uns ist Inklusion nicht nur ein Schlagwort, sondern eine Verpflichtung. Eine Verpflichtung, sicherzustellen, dass alle Menschen, „no matter what“, Zugang zu den gleichen Ressourcen und Möglichkeiten haben. Denn in einer wirklich inklusiven digitalen Welt profitieren wir alle.

Was würdet ihr Social Entrepreneurs, die noch ganz am Anfang stehen, mit auf den Weg geben?

Auch wenn das jetzt abgedroschen klingt – einfach machen. Am Anfang wurden wir oft gefragt „Warum macht Ihr denn nicht noch mehr mit KI? Das ist doch gerade Trend!“. Mittlerweile fragt das nach über 1.000 Kundinnen und Kunden niemand mehr. Gerade soziale Themen stehen, leider, oftmals hinsichtlich ihres Fortschritts nicht an dem Punkt, an dem sie eigentlich stehen könnten. Wer also einen Missstand entdeckt, Bock hat, etwas zu ändern und am Ende vielleicht noch mit einer Vision im Kopf an den Start geht, macht alles richtig. Dann kommt der Rest auch von ganz allein, auch wenn das wieder abgedroschen klingt.

Wir haben nun mal die Chance etwas zu verändern – wenn wir damit noch Geld verdienen und, wie in unserem Fall, Menschen mit Behinderung einen Arbeitsplatz ermöglichen können, an dem die Behinderung egal ist, gewinnen wirklich alle. Das Feedback, dass ihr bekommen werdet, wird am Ende aber der Grund sein, warum ihr eure Arbeit liebt. Da geht man gerne ab und an mal eine Extrameile.

Welche Pläne habt ihr mittel- und langfristig für euer Unternehmen? 

Unser Ziel ist es, unsere Arbeit und Vision für digitale Barrierefreiheit stärker in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Wir sind der Meinung, dass digitale Barrierefreiheit ein wichtiges Thema ist und dass es noch viel Potenzial gibt, um die Barrierefreiheit im digitalen Raum zu verbessern. Eine größere Sichtbarkeit insbesondere in Bayern kann uns dabei unterstützen, unsere Vision voranzutreiben und noch mehr Unternehmen und Organisationen zu motivieren, ihre digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten. 


Wir wünschen uns auch, dass unsere Arbeit und Vision stärker in die politische Diskussion einbezogen wird. Wir sind davon überzeugt, dass politische Entscheidungen eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, die Barrierefreiheit im digitalen Raum zu verbessern. Deshalb möchten wir auf diesem Weg auch auf politischer Ebene für eine stärkere Berücksichtigung der Barrierefreiheit zu werben und somit einen Beitrag zu einer inklusiveren Gesellschaft zu leisten. 

Die bayerische Kultur- und Kreativwirtschaft ist vital, kooperativ, vielstimmig und zukunftsrelevant. Wir stellen dir bayerische Akteurinnen und Akteure vor. Wie gestaltet sich deren Geschäftsmodell? Was treibt sie an?

Du möchtest uns auch gerne ein paar Fragen beantworten und Teil unserer Kampagne „bayernkreativPORTRAIT“ sein? Dann schreibe uns gerne eine E-Mail an kontakt@bayern-kreativ.de mit dem Stichwort „bayernkreativPORTRAIT“.