Wie sieht die Zukunft kreativer Arbeit aus – inmitten rasenden technischen Fortschritts? Dieser Frage ging Bruce Sterling in einem Vortrag am 15. Januar 2016 in Nürnberg nach. Im vollbesetzten Hub Nürnberg des Bayerischen Zentrums für Kultur- und Kreativwirtschaft stellte der gefeierte Futurist, Science-Fiction-Autor und Querdenker überraschende Thesen auf. Er appellierte an alle kreativ-schöpferisch Tätigen: „Die Zukunft wird Dir den Respekt erweisen, den Du der Vergangenheit erweist.“
Anders als so mancher selbst ernannte Technologieguru und Zukunftsforscher wartete der US-Amerikaner Bruce Sterling nicht mit den neuesten technischen Gadgets aus dem Silicon Valley auf, um den weiteren Lauf der Welt zu erklären. Im Gegenteil: Er warf einige Beispiele von Industriedesign aus längst vergangenen Zeiten an die Wand: eine Rechenmaschine aus Deutschland, ein PC aus Italien.
Die Zukunft von heute ist die Vergangenheit von morgen
Die Botschaft, die Bruce Sterling mit diesen Fotos an die anwesenden gut 120 Kultur- und Kreativschaffenden vermittelte, war vor allem eine der Demut.
Werdet nicht selbstgefällig, bloß weil Ihr heute ein anderes Wissen habt als frühere Generationen. Wenn unsere Kreativität eine Zukunft hat, dann nur wenn sie eine Verbindung zur Vergangenheit besitzt. Auch unser Wissen heute wird schon in kurzer Zeit vollkommen überholt sein.
Bruce Sterling warnte eindrücklich davor, blind den viel diskutierten Zukunftstrends hinterherzurennen.
Globalisierung ist heutzutage ebenso ein Mythos wie das Internet der Dinge. Schauen wir uns doch an, was tatsächlich passiert: Eine Phase der Deglobalisierung ist bereits angebrochen. ‚Cyber-Souveränität‘ ist das neue Stichwort. Die chinesische Führung sagt ganz klar: ‚Wir wollen Euer Internet hier nicht haben‘ und setzt das auch durch. Und mit demokratischen Verständnis für einen sozial geordneten Markt macht das auch Deutschland, zum Beispiel mit Uber. Überall auf der Welt wächst das Unbehagen an der ungeheuren Macht der Big 5, die das Internet zunehmend dominieren: Google, Apple, Facebook, Amazon und Microsoft. Und wer ihre Macht ablehnt, der hat absolut Recht!
„Macht Euch auf die Suche nach dem Begehrenswerten“
Auch das viel diskutierte Internet der Dinge werde aufgrund der Macht dieser Big 5 und ihrer gegenseitigen Rivalität eine Illusion bleiben. Es werde höchsten ein Google der Dinge geben, ein Amazon der Dinge, ein Facebook der Dinge… Angesichts heute bereits offensichtlich falscher Prognosen über die Zukunft, riet Bruce Sterling Designern dazu, nicht blind diesen Hypes hinterherzurennen und Produkte danach auszurichten, sondern sich auf guten alte Tugenden zu besinnen:
Die entscheidende Frage ist: Was empfinden Menschen heute wirklich als begehrenswert? Wenn sich solch ein begehrenswertes Produkt auch noch technisch realisieren und profitabel verkaufen lässt, dann umso besser. Aber der Anfangspunkt muss das Begehrenswerte sein.
Und das könne in diesen Zeiten durchaus auch etwas ganz analoges, auf den ersten Blick rückwärtsgewandtes sein.
Zum Schluss hatte Bruce Sterling noch eine aufmunternde Botschaft an alle Nürnberger. In vielen Gesprächen in der Stadt habe er immer wieder eine Art Entschuldigung gehört, dass man in dieser kleinen Stadt lebe. Aber die Anzahl der Einwohner sei völlig unerheblich für Kreativität:
Just because you’re from Nuremberg, doesn’t mean you can’t kick everybody’s ass!
Veranstaltungsinformation
Bruce Sterling ist Science-Fiction-Schriftsteller, Journalist und Designkritiker. Vor allem aber ist er Futurist. Seine jährlichen Abschluss-Keynotes vor mehreren Tausend Besucher/innen auf der Messe South by Southwest Interactive sind inzwischen legendär und ein Publikumsmagnet. Mit Science-Fiction-Werken wie „Der Staubozean“ hat er sich einen Namen als Mitbegründer des Cyberpunk gemacht. Bruce Sterling publiziert regelmäßig in Tech-Magazinen, unter anderem im Wired Magazin und in Twelve Tomorrows.
Am 15. Januar 2016 kam er nach Nürnberg und verriet uns seine Zukunftsvisionen. Wir hatten ihn im Vorfeld gefragt, welche Technologietrends er als wichtig erachtet und wie Kultur- und Kreativschaffende davon profitieren können. Seine Antworten gab er uns in Form eines Vortrags und diskutierte mit dem Publikum im Anschluss bei Getränken, Games und Snacks.
Die Veranstaltung fand anlässlich der Make Munich (16.-17.1.2016, München) und einer Unternehmerreise von Makern aus Italien nach Bayern statt. Sie ist Teil einer Kooperation zwischen bayerischen und italienischen Organisationen zur Förderung und Vernetzung der Maker Economy beider Länder. Die kooperierenden Organisationen sind: Bayerisches Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft, Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft der Landeshauptstadt München, Make Munich, Casa Jasmina, FabLab Torino, Officine Arduino und Opendot.
Bruce Sterling hielt außerdem am 16. Januar 2016 um 14 Uhr im „Zenith die Kulturhalle“ die Keynote der Make Munich.