Kann eine Stadt ihre wirtschaftliche, kulturelle und soziale Entwicklung strategisch planen? Landsberg am Lech hat dazu das Projekt „Unser Landsberg 2035 – gemeinsam Zukunft gestalten“ gestartet. Es erörtert, welche Chancen und Risiken in den nächsten 15 bis 20 Jahren auf die 29.000-Einwohner-Stadt am Lech und die umliegende Region zukommen und will rechtzeitig die Weichen stellen, um Landsberg am Lech zukunftsfähig und wettbewerbsfähig zu machen. bayernkreativ war aufgerufen, bei einem Workshop mit Kreativakteuren der Stadt konkrete Ziele und Maßnahmen für die Kultur- und Kreativwirtschaft zu erarbeiten.

Welche Trends und Entwicklungen beeinflussen Bayerns Kleinstädte in den nächsten Jahren? Und wie können sie sich positionieren, um den auf sie zukommenden Herausforderungen gerecht zu werden? Geht es nach dem Willen von Landsbergs Oberbürgermeister Mathias Neuner, soll die erforderliche Gesamtstrategie für das 29.000-Einwohner-Zentrum zwischen den Metropolen München und Augsburg in einem breiten Beteiligungs- und Dialogverfahren erarbeitet werden. Mit dem im Sommer 2016 gestarteten Projekt „Landsberg 2035“ will er die Zukunft von Landsberg am Lech gemeinsam mit Stadtrat, Stadtverwaltung, Bürgern, Akteuren und Unternehmen aktiv gestalten.

Der Kultur- und Kreativwirtschaft kommt dabei – wie sollte es auch anders sein – eine besondere Querschnittsfunktion zu. Denn innerhalb der fünf Handlungsfelder „Bildung und Soziales“, „Bauen und Wohnen“, „Wirtschaft und Digitalisierung“, „Kultur und Freizeit“ sowie „Mobilität und Umwelt“ ist sie sowohl für die kulturelle wie die wirtschaftliche Entwicklung von zentraler Bedeutung. Entsprechend komplex sind die Anforderungen an dieses Feld im Rahmen des Entwicklungsprozesses von „Landsberg 2035“. Um dem Prozess neuen Schwung zu geben, hat Landsberg am Lech das Bayerische Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft gebeten, die Kreativakteure aus Stadt und Landkreis zu mobilisieren und zwischen den vielfältigen Interessen zu moderieren.


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Rund 30 Kreativschaffende folgten dem Aufruf der Stadt und des Zentrums, am 22. September 2017 bei einem Workshop im modernen Ziegelsteingebäude der Stadtwerke Landsberg über die Zukunft der Kultur- und Kreativwirtschaft und entsprechende Zukunftsziele zu diskutieren. Die Stadtoberen zogen sich nach einer Begrüßungsrunde aus dem Workshop zurück – und bayernkreativ-Leiter Dirk Kiefer musste gleich in seiner Begrüßung um Verständnis bitten, warum der Workshop bewusst ohne Beteiligung der Mitgastgeber aus Politik und Verwaltung stattfinden sollte: „In Landsberg hat aus unserer Sicht noch zu wenig Austausch unter den Kreativschaffenden für eine konkrete Meinungsbildung im Rahmen von Landsberg 2035 stattgefunden. bayernkreativ will bei diesem Workshop mit Euch ins Gespräch kommen und damit die Grundlage für die nächsten Schritte schaffen“. Die allgemeine Verwunderung über diesen für alle Teilnehmer unerwarteten Schritt sollte in den nächsten fünf Stunden in breite Zustimmung umschlagen.

Wie kennenlernen?

Eine der größten Herausforderungen der Kultur- und Kreativwirtschaft ist ihre Kleinteiligkeit. Ihre Akteure werden elf verschiedenen Teilmärkten zugerechnet, die meisten von ihnen arbeiten als Soloselbstständige oder Kleinunternehmer. Entsprechend gering ist die Wahrnehmung der Branche, obwohl sie in ihrer Gesamtheit zu den umsatzstärksten in Deutschland und speziell in Bayern zählt. Entsprechend groß wiederum ist der Wunsch der Akteure, sich zu vernetzen. Untereinander, aber auch mit Vertretern aus Politik und Verwaltung – und natürlich auch mit anderen, klassischen Branchen, die oft Auftraggeber für kreative Unternehmer sind.

Beim Workshop in Landsberg am Lech stellte sich schnell heraus, dass sich die dort lebende und arbeitende Kreativ-Community bislang eher zufällig bei Aufträgen und Projekten in anderen Städten trifft als in ihrer Heimat. Dirk Kiefer unterstrich daher in einem Impulsvortrag, welche Bedeutung die Kultur- und Kreativwirtschaft gerade im ländlichen Raum hat. „Die Kultur- und Kreativwirtschaft unterstützt die Gründer- und Nachfolgekultur und die Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen, sie treibt Innovationsprozesse und Digitalisierungsvorhaben voran, befeuert die Wertschöpfung vor Ort, stärkt damit unmittelbar den Arbeitsmarkt und gibt wichtige Impulse für die Standort- und Regionalentwicklung“, so der Leiter von bayernkreativ. „Deswegen ist es so wichtig, dass sich Landsbergs Kreative vor Ort vernetzen und nicht in Augsburg oder München!“ Im Dialogworkshop zum Thema „Branchenübergreifende Vernetzung“ arbeitete Bayern Innovativs Vernetzungsspezialistin Johanna Lison gemeinsam mit den Kreativen mehrere konkrete Maßnahmen heraus, wie dies in Landsberg am Lech künftig besser geschehen kann. Die Kreativen wünschen sich unter anderem einen besseren und regelmäßigen Austausch mit der Stadt, Firmenbesuche, Roadshows, Pop up-Stores und Maker Spaces – und natürlich entsprechende kostengünstige Räume zum Netzwerken.

Wie vermarkten?

Gute Netzwerke liefern nicht nur den Grundstock für bessere Ideen, sondern auch für ihre Vermarktung. Wie „viral“ Marketing heute funktionieren kann, stellte die BR-Redakteurin Nadine Ulrich in ihrem Impulsvortrag vor. Eines ihrer Projekte beim Bayerischen Rundfunk sind die „Bavarian Makers“ (https://bavarianmakers.de) – eine Plattform, die Kreativen aus ganz Bayern eine überregionale Bühne gibt. „Der Erfolg ist teilweise umwerfend. Die Präsentation auf Bavarian Makers führt nicht selten zu einem Nachfrageschub, von dem die Start-ups und Kleinunternehmen manchmal total überrollt werden“, so die Radiojournalistin. Die Bavarian Makers sind aber nur ein Beispiel für innovative Vermarktungskonzepte. Welche sich für Landsberger Kreative eignen, erarbeiteten Nadine Ulrich und bayernkreativ-Expertin Inci Strauß an einem quadratischen Tisch mit den an dem Thema interessierten Teilnehmern des Workshops. Heraus kamen Ideen und Konzepte für Apps, Blogs, Feste und Festivals bis zu Computerspielen. „Wenn die Maßnahmen Erfolg haben, brauchen wir auch bessere Hotels“, bemerkte eine der Teilnehmerinnen. „Landsberg wäre dem Ansturm heute gar nicht gewachsen!“

Wie finanzieren?

Wie fast alle Unternehmer sind Kreative auf Privatvermögen, Bankkredite und Fördergelder angewiesen, um eine neue Idee zum fertigen Produkt zu entwickeln und dann angemessen zu vermarkten. Doch gibt es auch andere Wege, um an Geld zu kommen? „Ja!“, ist Markus Sauerhammer überzeugt. „Crowdfunding stellt bisherige Finanzierungswege auf den Kopf und bietet sich gerade für Kreative an, die auf herkömmlichen Wegen nur schwer an Kapital kommen“. Der Spezialist für ungewöhnliche Finanzierungsmodelle hat das Thema als Gründungsberater bei der IHK für München und Oberbayern vorangetrieben und arbeitet heute in Berlin bei „Startnext“, der größten Crowdfunding-Plattform im deutschsprachigen Raum für Gründer, Erfinder und Kreative. Mit einem inspirierenden Impulsvortrag stellte er den Landsberger Kreativen die Chancen von Crowdfunding vor. Doch nicht nur im Internet lässt sich Geld auftreiben, wie sich im Zuge des von ihm gemeinsam mit dem bayernkreativ-Experten Oliver Wittmann moderierten Workshop-Tischs herausstellte. Mit Stiftungen, Fonds und Genossenschaften könnten in Landsberg viele interessante Projekte finanzieren.

Und wie geht es weiter?

„An dieser Stelle sind wir von bayernkreativ raus“, verabschiedete sich Unternehmenscoach Rainer Meyer, der maßgeblich am Konzept des Workshops beteiligt war, von den rund 30 Teilnehmern. Erstmal, denn natürlich steht bayernkreativ den Landsberger Akteuren und der Stadt Landsberg in ihrem Entwicklungsprozess weiter zur Verfügung. Die Ergebnisse wurden bereits einige Tage später bei einer Strategieklausur des Stadtrats vorgestellt und sollen in die weiteren Planungen der Stadt Landsberg am Lech einfließen. Ein konkretes Ergebnis konnten die Teilnehmer bereits mitnehmen: Viele von ihnen fanden vor Ort spontan eine Lösung für den Wunsch nach besserer Vernetzung: Schnell entstand eine gemeinsame Adressliste mit einem Verteiler und drei Kreative erklärten sich bereit, als Ansprechpartner für Verwaltung, Politik und Interessierte zur Verfügung zu stehen. Dass Bürgermeister Axel Flörke Räume für Netzwerktreffen anbot, stieß auf Begeisterung. Gute Lösungen können manchmal so einfach sein …