Wie ein Vorzeigemodell im Regensburger Stadtkern Kreativschaffende, Gründende, Wissenschaft und Stadtgesellschaft zusammenbringt.

Ein Haus für die Zukunftsbranche

Präsentieren, veranstalten, vernetzen: Seit 2015 hat Regensburg einen zentralen Anlaufpunkt für die kreative Branche, in dem Gründende, Kreativschaffende, Publikum und Wissenschaft zusammenkommen, um an der Stadt der Zukunft mitzuwirken – realisiert nach den Ideen der Kreativschaffenden und trotzdem kommunal. Dass dieser Spagat funktionieren kann, zeigt das Degginger.

Start-up Vibes durchwehen das Degginger. Wegen der versammelten Gründenden aus der Kreativszene, die im Café unten oder im Co-Working oben ihren temporären Arbeitsplatz gefunden haben, wegen der jungen Unternehmen, die ihre Büros im Obergeschoss haben, wegen der ausstellenden Kulturwirtschaft.

Projektleiter des Degginger ist Oliver Löscher, 34. Der gebürtiger Regensburger lebte 20 Jahre hier, studierte und arbeitete über zehn Jahre in Wien, und ist nun seit 2022 wieder im Lande. Er beschreibt den perfekten Degginger-Tag: „Vorne, im Hauptraum, ist volles Haus, weil gerade ein Architekturvortrag stattfindet. Heute werden Planungen im Bereich Stadtentwicklung für ein neues Quartier vorgestellt, Expertinnen und Experten aus anderen Städten sind da. Du gehst weiter durchs Haus, kommst hinten zum Projektlabor. Da ist gerade Branchentreffen, beispielsweise des Forums Kreativwirtschaft, das diskutiert, wie eine Tagung zu den Auswirkungen von KI auf die Branche gestalten werden soll. Und auf der gegenüberliegenden Seite der Pop-up-Raum, wo eine Woche lang Designprodukte ausgestellt werden. Am Abend wird dieser Shop zum Workshop-Raum, wo ein Kurs gegeben wird, bei dem die Leute das Keramikhandwerk lernen. Aus den anderen Stockwerken kommen dann Tagungsgäste und Co-Worker runter, und das ganze Haus lebt.“

Ein Haus für alle

Die Türen des Degginger stehen jedem offen. Bis zu 199 Gäste passen ins Café im Erdgeschoss mit der Bühne, die regelmäßig mit Konzerten und Vorträgen bespielt wird. Neben Projektlabor und Pop-up Raum findet man dort noch „die kleinste galerie“, darüber drei Stockwerke voller Co-Working-Spaces, Start-up- und Seminarräumen sowie Büros von Verbänden und Developerinnen und Developern, Presse- und Architekturbüros, das Stadtmarketing und die Kreativbehörde selbst.

Das Degginger wird betrieben durch die Kreativbehörde des Amts für Wirtschaft und Wissenschaft und finanziert aus Mitteln der Stadt Regensburg. Gestartet als Experiment, ist es so etwas wie ein kommunales Start-up und heute nicht mehr wegzudenken aus Regensburg. Schon 2012 war jedes zehnte Regensburger Unternehmen Teil der Kultur- und Kreativwirtschaft. Eine Umfrage ergab einen hohen Bedarf an kreativem Arbeitsraum in der Stadt. 2014, als erstes Projekt der neuen Kreativbehörde, wurde dann das Degginger ins Leben gerufen. Etwa zeitgleich gründete sich auch das Forum Kreativwirtschaft e. V., in dem sich die lokale Kultur- und Kreativwirtschaft organisiert, bis heute ein wichtiger Kooperationspartner. Zahlreiche weitere kamen hinzu.

„Einmal der Wunsch der Branche nach Raum und zum Zweiten der politische Wille. Das waren die beiden ausschlaggebenden Faktoren für die Initialzündung“, sagt Sebastian Knopp, 40, ebenfalls ein gebürtiger Regensburger, Studium in Regensburg, Berufserfahrung in Berlin und Linz, bereits seit 2015 bei der Kreativbehörde Regensburg. Das Degginger war sein erstes Projekt. Seit 2019 ist Knopp Leiter der Kreativbehörde und verantwortlich für insgesamt drei Projekte. Er kommt selbst aus der Szene, Filmproduktion, wechselte auf die andere Seite des Schreibtischs und baute gemeinsam mit Werner Zapf, dem von Beginn an kooperierenden Gastronomen des Hauses, die Marke Degginger auf.

16.000 Besuchende jährlich

Das Degginger wurde nach der ehemaligen Besitzerfamilie benannt, ist genau mittig zwischen Rathaus, Dom, Neupfarrplatz und Haidplatz gelegen, beste Altstadtlage also, die für viele Kreativschaffende sonst nicht bezahlbar wäre. Das denkmalgeschützte Patrizierhaus aus dem 14. Jahrhundert sind eigentlich zwei verbundene Gebäude. Und, wichtig, durch einen Durchgang verbindet das Degginger zwei der beliebtesten Flanierstraßen Regensburgs. Knopp sagt: „Das trägt viel dazu bei, dass es niedrigschwellig ist und dass auch mal Leute durchschlendern und in eine Veranstaltung reinschneien, die sonst nicht gekommen wären.“ Vortragsthemen wie die Stadtbahn und die populäre Wissensvermittlung von Uni Goes Downtown erreichen dabei auch die breite Bevölkerung.

Das spiegelt auch unser Förderverständnis wider, weil es uns nicht nur darum geht, die Branche in ihrer Wertschöpfung zu unterstützen, sondern auch als einflussreiche Akteurin für andere gesellschaftliche oder wirtschaftliche Prozesse zu positionieren, die Stadtgesellschaft immer wieder einzubinden und somit auch einen Vermittlungsauftrag einzunehmen und einfach ein lebendiger, pulsierender Ort zu sein, an dem unterschiedliche Akteurinnen und Akteure zusammenkommen.

Oliver Löscher

Neben Kreativschaffenden und Einheimische sind das Vereine, Konzerne, Universitäten und Fachhochschulen. 2023 wurden allein mit den Veranstaltungen über 16.000 Besuchende erreicht. Hinzukommen das Laufpublikum und die Gäste der Gastronomie. Oliver Löscher sagt: „Wir machen zwar eigenes Programm, aber größtenteils begleiten und unterstützen wir die Kreativen, deren Verbände und Initiativen, die hier ihr Programm platzieren.“

Beliebt ist auch der „Startplatz“ für soloselbstständige Gründende, eine als Anschubförderung verstandene Bürogemeinschaft für Foodbloggende bis App-Entwickelnde mit bedarfsorientierten Weiterbildungen.

Nicht alles stemmen die aktuell drei Vollzeitkräfte des Degginger – Löscher, ein Veranstaltungsmanager und ein Techniker – alleine. Das Café, Teile des Bühnenprogramms sowie das flexible Coworking co_degX samt Tagungsräumen betreibt die Partnerin HTW GmbH. Bald ergänzen zudem zwei Auszubildende das Team der Kreativbehörde.

Kreativ die Zukunft mitgestalten

Das Degginger ist vielseitig. Als Bühne beim Popkulturfestival PUSH oder für Einzelkonzerte wie dem des bekannten Liedermachers Nino aus Wien. Als Gastgeber von Designmarkt und Regionalbuchmesse, von Tagungen der Branchenverbände wie Dialog Pop, Bayern Design, Games Bavaria, der Architektenkammer, dem Zukunftsdialog oder der URBAN-Netzwerktagung der Stadtentwicklerinnen und -entwickler. „Ein sehr starkes Format“, sagt Knopp, „weil da gemeinsam diskutiert wurde, wie die Kreativwirtschaft darauf Einfluss nehmen kann, wie sich eine Stadt weiterentwickelt.“ Der Leitlinie „Regensburg-Plan 2040“, die sich die Stadt Regensburg selbst gegeben hat, ist auch das Degginger verpflichtet. Dort versteht man sich als Motor und Puzzleteil. Die ambitionierten Pläne des Degginger für die nächsten Jahre wurden kürzlich vom Stadtrat abgesegnet.

Das Degginger ist nicht nur ein dritter Ort der Vernetzung und der kreativen Wertschöpfung, sondern ein elementarer Baustein der wirtschaftspolitischen Strategie und somit mitentscheidend für die kreative Stadt Regensburg.

Gertrud Maltz-Schwarzfischer, Oberbürgermeisterin der Stadt Regensburg

„Die Kreativwirtschaft nicht nur als Wirtschaftsbranche verstehen, sondern als Zukunftsbranche“, fasst Löscher zusammen. Ein Konzept, das Schule macht und nun hochverdient mit dem Sonderpreis für kommunales Engagement des Staatspreises für bayerische Kreativorte 2024 ausgezeichnet wird. Das Degginger findet Nachahmende, doch jede Stadt müsse ihre passgenaue Lösung finden, sagt Knopp. Regensburg hat ihre in der Wahlenstraße 17.