Von Stefan Kuntz, Künstlerberatung // Stand: 16.03.2020 15:38
Für: Bayerisches Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft
Woran sollten Künstlerinnen und Kreative jetzt (auch) denken?
Die Empfehlungen der Gesundheitsbehörden sollten bitte dort nachgelesen werden. Hier möchte ich mich auf einige ökonomische Fragen konzentrieren.
Und für den Fall der Fälle (der hoffentlich nicht eintritt):
Siehe auch http://kuenstlerrat.de/letzter.htm und Survival Kit, mein Fachbuch für Künstlerinnen und Kreative
Ein Veranstalter könnte die Pandemie als Vorwand verwenden, um eine Veranstaltung im Herbst abzusagen, z.B. nur weil er wenig Hoffnung für besseren Vorverkauf hat. Den Grund „Höhere Gewalt“ kann er jetzt für den Herbst nicht geltend machen. Und er kann „Höhere Gewalt“ auch nicht selbst definieren. Eindeutig wird „Höhere Gewalt“ nur durch ein behördliches Verbot. Auf Grund der meisten Verträge/AGB’s dürfte er mit einer solchen Absage schadenersatzpflichtig werden. Ob es aber sinnvoll ist, sich deswegen mit juristischen Mitteln zu streiten?!?
Besser ist es vielleicht, insgesamt optimistische Gelassenheit auszustrahlen. Wir sollten gemeinsam in diesen angsterfüllten Zeiten für ein wenig Gelassenheit bei unserem Publikum sorgen.
Und: nach der Pandemie wird es einen Kulturhunger geben!
Ersatztermin
In den AGB’s könnte sinnvollerweise stehen „Führt höhere Gewalt zum Ausfall der Veranstaltung, werden beide Vertragspartner von ihrer Leistungspflicht befreit. Der Künstler hat einen Anspruch auf einen Ersatztermin.“ Steht der letzte Satz nicht in den AGB’s, gibt es keinen Anspruch.
Absage von Auftritten
Absage von Auftritten, die nach Ende des behördlichen Verbots (z.Ztt 19.4.2020) stattfinden sollen: Wer jetzt (im März) Veranstaltungen z.B. für den Mai absagt, kann sich nicht auf „Höhere Gewalt“ berufen. Das könnte er erst im April, wenn das Verbot z.B. von den Behörden im April verlängert wird. Es ist unvorhersehbar, wie lang diese Pandemie und das behördliche Verbot noch dauern. Und diese Unvorhersehbarkeit ist ein Kriterium für die Absage wegen „Höherer Gewalt“. „Höhere Gewalt“ ist sicher erst dann eingetreten, wenn die Pandemie die Veranstaltung unmöglich macht. Also muss die Absage möglicherweise später und auch recht kurzfristig kommen.
Veranstalter, die trotzdem jetzt pauschal alles für den Sommer absagen, vermeiden unnötige Kosten und tun der Ferienplanung der Künstler einen Gefallen (sofern man dafür Geld hat!), machen sich aber u.U. schadenersatzpflichtig. Das wäre so, wie wenn die Veranstalterin eine Veranstaltung in Passau im August absagt, weil im August Hochwasser kommen könnte, das sei unvorhersehbar! Nein, das muss auch überwiegend wahrscheinlich sein. Und darüber kann man sich wunderbar streiten. Ob das „wahrscheinlich“ war, kann frau erst gesichert hinterher sagen. Aus Sorge vor einem Hochwasser oder vor dem Fortdauern der Pandemie abzusagen, reicht jedenfalls nicht.
KSK-Jahresprognose
Die an anderen Orten ausgesprochene Empfehlung, die KSK-Jahresprognose jetzt auf 4.000 € zu senken angesichts der Einnahmeausfälle, halte ich für riskant, weil frau damit im Falle einer langen Krankheit auch ihr mögliches Krankengeld schmälert. Das Krankengeld beträgt 70 % von dem Einkommen, das mann bei der KSK in der Prognose angegeben hat und für das man Beitrag zahlt. Bitte auch die aktuellen Hinweise der KSK beachten.
Rechtsform
Solo-Selbständige haben in der Regel die Rechtform „Inhaber“ oder „Einzelunternehmerin“, aber auch die „UG haftungsbeschränkt“ oder die „GmbH“ sind möglich. Arbeitet frau mit mehreren gleichberechtigt im Team zusammen, handelt es sich vielleicht um eine GbR oder die beiden eben genannten Rechtsformen. Mehr in meinem „Survival Kit“.
Was bedeutet „Liquiditätsengpass“?
Ein alleiniger Verweis auf die Corona-Krise und die damit verbundenen Stornierungen, Honorarausfälle und Gewinneinbrüche sind bei den meisten Nothilfeprogrammen kein ausreichender Grund für eine Förderung.
laufende beruflich bedingte Kosten
Es muss meist deutlich gemacht werden, dass und warum die laufenden beruflich/betrieblich bedingten Kosten seit 11.3. nicht mehr selbst gedeckt werden können. In welcher Art und Höhe fallen Kosten laufend an? Betragen die Ausfälle mindestens 50 % oder mehr? Warum können die laufenden beruflich/betrieblich bedingten Kosten jetzt oder in naher Zukunft (den nächsten 3 Monaten) nicht mehr selbst gedeckt werden?
Ein „Liquiditätsengpass“ ist dann gegeben, wenn frau nicht mehr flüssig (liquide) genug ist, nicht mehr genug Geld hat, um ausstehende Rechnungen zu bezahlen, wenn frau den Dispo überzieht, sich ein dickes rotes „Minus“ auf dem Girokonto abzeichnet und frau vielleicht sogar insolvent (ein anderes Wort für nicht-flüssig) wird.
Lebenshaltungskosten
Auch angemessene eigene Lebenshaltungskosten sind oft förderfähig. Je nach Programm kann es sein, dass die Lebenshaltungskosten bei einem Einzelunternehmer als Eigen-Entnahmen für den eigenen Lebensunterhalt in der Liquiditätsvorschau auftauchen sollten, nicht aber als Honorar oder gar Gehalt.
Vergleiche
Vorjahresumsätze sollten mit aktuellen Umsätzen verglichen und dokumentiert werden. Die weggebrochenen Aufträge, bisher und auch für die nächsten 3 Monate, sollten aufgelistet werden.
Liquiditätsvorschau
Um die richtigen Zahlen und Angaben zu liefern, sollte eine einfache Liquiditätsvorschau erstellt werden (für diesen und die nächsten Monate). Dabei hilft Ihnen das Existenzgründungsportal des BMWi. Nur sollten Sie für die Beantragung einer Hilfe meist mit einem Fehlbetrag enden. Ihre Lebenshaltungskosten tragen Sie unter einem neuen Ausgabenpunkt „Entnahmen“ ein, siehe oben. In den Bedingungen heißt es oft, eigene Rücklagen müssen zunächst aufgebraucht werden. Das gilt aber nicht z. B. für eine Lebensversicherung. Sinnvoll ist die Trennung privater und beruflicher Finanzen. Wer neben dem privaten auch ein nur beruflich genutztes Girokonto hat, kann leichter eine berufliche Schieflage mit dem Kontostand nachweisen. Es geht nach meinem Verständnis um berufliche/betriebliche Rücklagen. Private Ersparnisse sind bei den meisten Programmen nicht gemeint. Am Ende der Liquiditätsvorschau wird ein dickes Minus stehen, das ist der Fehlbetrag, der auch in manchen Hilfe-Programmen mit „Betriebsbedarf“ angeben wird.
Zahlungen aus Nothilfeprogrammen müssen versteuert werden.
„De-minimis“
Sie müssen die De-minimis-Beihilfe-Regelung bestätigen. Diese Regelung macht eine Zuwendung, die staatliche Stellen Ihnen gewähren und die als „Bagatellbeihilfe“ angesehen wird, nicht weiter genehmigungspflichtig durch die Europäische Kommission. Das ist nur eine Absicherung für die staatlichen Stellen.
KSK-Mitgliedschaft
In einigen Programmen, vor allem der Kulturministerien, wird der Nachweis der Versicherung über die Künstlersozialkasse gefordert, weil die Hilfe nur für Künstlerinnen und Publizisten gedacht ist. Das machen Sie am besten mit der letzten Jahresabrechnung der KSK und dem letzten Kontoauszug, auf dem die Abbuchung der KSK vermerkt ist.
Anciennitätsprinzip
Ähnlich sind manche Fördermittel, vor allem von Kulturämtern der Kommunen, begrenzt auf die Künstler und Kultureinrichtungen, die auch schon bisher gefördert wurden (z.B. mit einer Projektförderung).
Arbeitslosengeld
Das Sozialschutz-Paket der Bundesregierung sieht einen vereinfachten Zugang zu ALG 2/ Grundsicherung vor. Sie müssen die anrechenbaren Einkünfte im Monat der Antragstellung nachweisen. Bis vorerst 30. Juni 2020 findet keine Vermögensprüfung statt, wenn versichert wird, dass das Vermögen unter 60.000 € (Single) beträgt. Nachgewiesene Ausgaben für Miete und Heizung werden in tatsächlicher Höhe erstattet. Bei aufstockendem ALG 2 gibt es den Kinderzuschlag schon auf Grund eines Kontoauszugs des letzten Monats.
Wenn Sie schon vor 12 Monaten eine freiwillige Arbeitslosenversicherung für Selbständige („Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag“) abschließen konnten, dann haben Sie für den Fall, dass Sie kaum noch was zu tun haben, jetzt eine gute Möglichkeit, mit Hilfe der Leistungen aus dieser Versicherung zu überleben. Das wird aber leider nur auf sehr wenige zutreffen.
Bisher konnte man nur zweimal innerhalb eines Jahres von dem ALG profitieren. Die Pressemitteilung der Arbeitsagentur München erklärt die Möglichkeit, dass man auch nach dem 2. Bezug nicht ausgeschlossen sondern sich weiterversichern kann.
Zu den „Stolpersteinen…“ vom 02.04.
Liquiditätsvorschau / Lebenshaltungskosten
Verwenden Sie, wenn Sie dazu keine Angaben in den Regularien finden, die Werte aus der „Düsseldorfer Tabelle“, die für einen Single aktuell 1.160 € vorsieht. In den Richtlinien zur Corona-Soforthilfe Baden-Württemberg wird ein geringfügig höherer Betrag als „kalkulatorischer Pauschalbetrag für Lebensunterhalt des Inhabers“ erwähnt.
Aber:
Alle Bundesländer sind dabei, ihre bisherigen, ergänzenden Soforthilfeangebote für Selbständige umzustellen und sie mit den Bundesmitteln abzustimmen, sie dort zu integrieren. Das läuft darauf hinaus, dass Lebenshaltungskosten nicht mehr über die Corona-Soforthilfe, sondern über ALG 2 abgefedert werden sollen. Noch dient die Soforthilfe in NRW beispielsweise auch dazu, das eigene Gehalt und somit den Lebensunterhalt zu finanzieren.
Zu den „Stolpersteinen…“ vom 02.04.
Elterngeld
Bei der Berechnung des Elterngeldes sollen Monate innerhalb der Krisenzeit mit untypischen Gewinnen unberücksichtigt bleiben.
Soforthilfeprogramm des Bundes: In dem Formular heißt es: „Einschränkung: Antragsberechtigt sind nur Unternehmen, die nicht bereits am 31.12.2019 in Schwierigkeiten waren gemäß Art. 2 Abs. 18 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung“.
Ich empfehle, diese Einschränkung zu ignorieren: Sie macht keinen Sinn, weil der als Begründung verwandte Artikel ausdrücklich „benachteiligte Arbeitnehmer“, „die in den vorangegangenen sechs Monaten keiner regulären bezahlten Beschäftigung nachgegangen sind“ für beihilfe-berechtigt erklärt.
Kontonummer
Bitte geben Sie in Ihren Anträgen die Kontonummer an, die Sie auch im Zahlungsverkehr mit dem Finanzamt verwenden. Das empfiehlt sich in Folge von Hacker-Manipulationen des NRW-Antragsverfahrens.
Vereine / Mitarbeiter
Das Bundesfinanzministerium hat steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Hilfe für von der Corona-Krise Betroffene beschlossen. Das gilt insbesondere bei Spenden und der Mittelverwendung von gemeinnützigen Einrichtungen (Bundesfinanzministerium, Schreiben vom 09.04.2020, IV C 4 -S 2223/19/10003 :003) und für die Steuerbefreiung für Beihilfen und Unterstützungen an Beschäftigte.
Großveranstaltungen
bleiben wegen der Corona-Pandemie bis zum 31. August grundsätzlich weiterhin verboten. Konkrete Regelungen, etwa zur Größe der Veranstaltungen, sollen von den Ländern getroffen werden.
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