Welche Trends treiben die Werbebranche an? Das zeigen jährlich die „Cannes Lions“ an der Côte d’Azur. Die beim größten Festival der Kommunikations- und Werbewirtschaft ausgezeichneten Kampagnen gelten als Oscars der Kreativbranche und ihrer Auftraggeber. Bei „Gut gebrüllt“ geben die CommClubs Bayern e. V. regelmäßig Einblicke in die Schwerpunkte des letzten Festivals und stellen die besten bayerischen Arbeiten vor.

 

„Es ist auf den ersten Blick wirklich überraschend, aus welchen Ländern viele der aktuellen Cannes Lions-Preisträger stammen“, weiß Katja Garff, die das wichtigste Event der Werbebranche viele Jahre als deutsche Repräsentantin besucht hat. Denn viele der innovativsten Werbekampagnen der Welt werden der Expertin zufolge längst nicht mehr in den USA oder Europa produziert, sondern inLändern wie Peru oder Rumänien. Warum das so ist? „Weil die Budgets dort viel geringer sind, müssen die Werber neue Wege gehen.“ Als Beispiele nennt sie das in Rumänien entwickelte Game „Mr Bear Driver“ und den peruanischen Song „Love Song written by a Murderer“. Dass man in „Wohlstandsmedienländern“ wie Deutschland nach wie vor mit klassischer Werbung erfolgreich sein könne, bedeute aber nicht, dass die Werber hierzulande weniger kreativ seien.

Bei „Gut gebrüllt 2017“, einem von den CommClubs Bayern e.V. mit Unterstützung von bayernkreativ ausgerichteten Netzwerktreff der bayerischen Werbewirtschaft, berichteten Katja Garff und ihr langjähriger Kollege Jan-Eric Blaesner auch darüber, wie sich die Cannes Lions in den letzten Jahren verändert haben. Bei dem Stelldichein der internationalen Werbewelt geht es längst nicht mehr nur um „Sehen und Gesehen werden“ und die Prämierung der besten Werbeclips, die lange als Cannes Rolle auf Welttournee gingen. Die Cannes Lions sind heute ein Festival mit Kongressen, Workshops und einem Campus für den kreativen Nachwuchs.


„Gut gebrüllt 2017“ in Bildern

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Werbekampagnen bestehen längst nicht mehr nur aus isolierter Poster-, Fernseh- oder Rundfunkwerbung. Die Werbebranche trennt auch nicht mehr zwischen analoger und digitaler Welt und versteht sich immer seltener als reiner Auftragnehmer ihrer Kunden aus Industrie und Handel. Häufig entstehen innovative Produkte und Dienstleistungen als verzahnte Entwicklungen von Marketing- und Technologieexperten. Welche Rolle Kreative dabei spielen können, stellte Florian Knetsch in einem hochinteressanten Vortrag dar. Der beim Projektträger Jülich beschäftigte Wirtschaftsforscher hat sich viele Jahre mit dem digitalen Strukturwandel in der Wirtschaft und der Frage beschäftigt, wie Unternehmen günstige Rahmenbedingungen für Innovationen schaffen können. Großes Potenzial hat aus seiner Sicht, wenn unterschiedliche Branchen zusammenarbeiten und dabei ungewöhnlichen Ansätze wählen. Dies belegte er anschaulich an Beispielen wie der Origami-Falttechnik, die in Raumfahrt und Automobilbau Grundlage für innovative Leichtbautechnologien ist.

Ein Löwe für Bayern

„Nur“ 45 Kampagnen aus Deutschland wurden dieses Jahr in Cannes mit einem „Löwen“ prämiert – aus Bayern stammte davon sogar nur eine einzige. Warum? Auch darauf haben Katja Garff und Jan-Eric Blaesner eine Antwort. „Sich für einen Löwen zu bewerben, ist mit immensem Aufwand und Kosten verbunden. Der Rückgang der Auszeichnungen ist parallel zur rückläufigen Zahl der Einreichungen zu sehen. Viele Agenturen gehen andere Wege bei der Selbstvermarktung.

Alles richtig gemacht hat 2017 die US-Agentur McCann. Die von ihr im Auftrag der Investmentfirma State Street Global Advisors anlässlich des Internationalen Frauentags 2017 an der New Yorker Wall Street aufgestellte Bronzestatue “Fearless Girl“ wurde gleich mit 18 Löwen ausgezeichnet. Die Statue erzeugte weltweites Aufsehen und ging als virale Kampagne in den Sozialen Medien durch die Decke. Cannes-Jurychef Tham Khai Meng bezeichnet sie überschwänglich als eine Arbeit, die in ihrer Wirkung weiter reiche als alles andere, was bisher in der Werbung entstanden sei.

Für Katja Garff ist „Fearless Girl“ ein perfektes Beispiel, wie Werbung heute gedacht werden muss: „Werbung muss eine Lösung für das Problem beziehungsweise die Aufgabenstellung einer Marke bieten. Über welchen Kanal sie dann gespielt wird, ist zweitrangig!“ Jungen Kreativen rät die erfahrene Werberin deswegen, zwar lösungsorientiert zu arbeiten aber dabei vollkommen frei zu denken.


„Fearless Girl“ – der Siegerfilm der Cannes Lions 2017

Alle seit 2001 bei den Cannes Lions prämierten Arbeiten gibt es hier.