Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist Gegenstand und Treiber großer Umwälzungsprozesse. Wertschöpfungspraktiken verändern sich und damit auch die Anforderungen an die Akteurinnen und Akteure selbst. Ihre Praxis ist zunehmend geprägt von einer ganzen Reihe strukturverändernder Entwicklungen. Aber welche sind das konkret? Durch den Besuch der Auftaktveranstaltung des diesjährigen European Creative Industries Summits (ECIS23) im schwedischen Umeå konnte bayernkreativ-Branchenexperte und ECBN-Vorstandsmitglied Henning seinen Blick darauf nochmals schärfen. Er hat uns zusammengefasst, welche Entwicklungen man aktuell und zukünftig auf dem Schirm haben sollte.

Von Industrie zu Ökosystem

Der europäische Kultur- und Kreativsektor ist seit der Aktualisierung der europäischen Industriestrategie im Mai 2021 ein anliegen- bzw. missionsgetriebenes Ökosystem. Denn: Neue Wertschöpfungsdynamiken führen weg von klassischen Grenzziehungen entlang etablierter Industrien.

Vom Beruf zur Kompetenzträgerschaft

Was sich aus der Dynamik neuer Wertschöpfungszusammenhänge ebenfalls ergibt: Berufe im Sinne systematisch ausgebildeter, klar (statistisch) abgrenzbarer Leistungsbereiche verlieren an Bedeutung und werden abgelöst durch bewegliche Kompetenzträgerschaften. Das wirkt sich auf die Praxis der Kompetenzentwicklung (z. B. Erwerb von Micro-Credentials) aus.

Neue Technologien als Grundlage des (beruflichen) Alltags

Kultur- und kreativunternehmerisches Handeln ist eingebettet in zunehmend komplexere Technologien, die das schöpferische Handlungsrepertoire um ein Vielfaches erweitern. Immer mehr Menschen sind in den Prozess der Entstehung, Verbreitung und Verwertung involviert, was zugleich ein neues Spektrum von Kompetenzen bedingt.

Skills Revolution

Die Gestaltung einer digitalen, grünen und allgemein erstrebenswerten Zukunft verlangt (mitunter grundsätzlich) neue Kompetenzen und Fertigkeiten, die in fortlaufender Weise (lifelong learning) zu entwickeln sind. Adressiert wird die Dringlichkeit einer veränderten Ausbildungs- und Qualifizierungspraxis mit europäischen Initiativen wie etwa der European Skills Agenda, dem Pact for Skills, the Digital Agenda, dem Digital Education Action Plan oder auch der Digital Skills and Job Coalition.

Reibung als produktiver Impuls

In einer Welt voller Bedeutungsansprüche entsteht Reibung. Diese ist nicht nur zuzulassen, sondern als produktiver Impuls zu nutzen. Sie schafft Raum für Auseinandersetzung und Verständigung und ermöglicht die Entwicklung gemeinsamer, neuartiger Lösungen.

Mehr als Solutionismus

Solutionismus meint den Glauben, gravierende gesellschaftliche (oft unzureichend durchdrungene) Probleme seien allein durch Technik und Daten zu lösen. Die großen europäischen Transformationsprozesse sollten jedoch als kulturelle Projekte verstanden werden. Denn sie erfordern gesellschaftliche Teilhabe: „Wandel“ in jeglicher Form kann durch die Menschen unterstützt, ignoriert oder aber abgelehnt werden. Es geht also darum, Lösungen zu finden, die auf positive Resonanz und Zustimmung stoßen.

Kollaboration statt Kooperation

Die komplexen Aufgaben der Zeit verlangen nicht allein ein abgestimmtes, sondern kollaboratives, gemeinschaftliches Handeln und eine erhöhte Sensibilität für systemische Zusammenhänge.

[ECIS | Key facts]

Die alljährlich stattfindende Konferenz wird organisiert vom European Creative Business Network (zukünftig European Federation for Creative Economy) und läuft in diesem Jahr unter der Schirmherrschaft der EU-Ratspräsidentschaft Schwedens. „Transformative Skills – Embrace Friction to Create the Unexpected“ –  Unter diesem Motto kamen am 15. Februar im schwedischen Umeå Akteure der europäischen Kultur- und Kreativwirtschaft sowie politische Entscheidungsträgerinnen und -träger zum Auftakt des diesjährigen European Creative Industries Summits (ECIS23) zusammen. Die Veranstaltung nimmt Bezug auf das „Europäische Jahr der Kompetenzen“ (Year of Skills) und unterstreicht die Notwendigkeit der beständigen Weiterentwicklung von Fähigkeiten und Fertigkeiten in Zeiten des digitalen Wandels. Kompetenzen ermöglichen berufliche Teilhabe und sind die Grundlage für Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und nachhaltiges Wachstum in Europa.

Die Abschlusskonferenz findet statt am 23. und 24. Mai 2023 im schwedischen Helsingborg.