#Kunsthandwerk: Wie kommt eine Jury eigentlich zu ihrer Entscheidung? Anlässlich der Ausstellung der Wettbewerbsbeiträge hat die Danner Stiftung eben diese Frage zur Diskussion gestellt und zum Talk eingeladen.
Was macht dieses Werk so einzigartig und herausragend im Vergleich zu dem Objekt daneben? Und welche Bedeutung kommt dem Begriff ‚Schönheit‘ in diesem Kontext eigentlich zu? Subjektive Überlegungen und ästhetische Urteile stehen im Raum, sobald Besucherinnen und Besucher Beiträge eines Wettbewerbs betrachten. Und lassen die Frage aufkommen, warum und wie eine Jury sich eigentlich auf die Preisträgerinnen und Preisträger geeinigt hat. Denn auch die Jurymitglieder können sich vom subjektiven Empfinden doch nicht freimachen, oder?
Diskussion
Dr. Petra Hölscher (in Vertretung für Prof. Dr. Angelika Nollert, Direktorin) / Kuratorin Die Neue Sammlung – The Design Museum
Hubert Sanktjohanser/Möbeldesigner
Thomas Stangier/komm. Leiter der Museen der Stadt Landshut
im Gespräch mit Julie Metzdorf/Kulturjournalistin
Wolfgang Lösche / international tätiger Juror
Die Journalistin Julie Metzdorf sprach mit Dr. Petra Hölscher, Kuratorin der Neuen Sammlungen / Design Museum München, mit Thomas Stangier, dem kommissarischen Leiter der Museen der Stadt Landshut und mit dem Möbeldesigner Hubert Sanktjohanser über diese Fragen und über die Schwierigkeiten der Entscheidungsfindung in einer Jury. Und schnell wurde klar: Dieser Prozess ist komplex und geht weit über die reine fachliche Expertise ihrer Mitglieder hinaus.
Objektive Kriterien machen nur einen Teil der Entscheidungsgrundlage aus: Die Gebrauchsfähigkeit eines Produkts, technische Ausführung und Materialkenntnisse gehören unter anderem dazu. Aber die Auswahl der Preisträgerinnen und Preisträger ist immer auch beeinflusst durch die unterschiedlichen Persönlichkeiten, die gemeinsam zu einer Entscheidung kommen müssen. In einer Jury entstehe immer eine Debatte, die geprägt sei durch die Erfahrungen, Kenntnisse, individuellen Prägungen und ästhetischen Sozialisierungen der einzelnen Jurymitglieder, so Dr. Petra Hölscher. Die Dynamik der Entscheidungsfindung hänge zudem sehr davon ab, wie die unterschiedlichen Expertinnen und Experten miteinander interagieren, wie sie diskutieren, ob sie grundsätzlich offen seien für andere Sichtweisen oder Schwerpunkte.
Die Bedeutung von Handwerk, Innovation und Tradition
Im Feld des kreativen Gestaltens ist jedoch auch das Wissen über Herstellungstraditionen wichtiger Einflussfaktor. Wie haben die Gestaltenden in ihren Objekten die Herstellungstraditionen berücksichtigt? Wie gehen sie mit diesen Traditionen um? Und wo ist etwas Neues, ein neuer Umgang oder eine Weiterentwicklung zu sehen? Wie eigenständig ist das Werk, mit Blick auf die technische, aber auch auf die künstlerische Umsetzung? Das reine Handwerk habe eine sehr weitreichende Bedeutung für die Qualität eines Objekts, so Hubert Sanktjohanser . Zusätzlich müsse aber auch eine „geistige Gebrauchsfähigkeit“ existieren. Ein Objekt müsse eine innovative Kraft aufweisen, eine künstlerische Umsetzung, die über die rein handwerklich perfektionierte Umsetzung hinausgehe.
Während der Jurydiskussion kommt der Sprache eine besondere Rolle zu: Die Versprachlichung wurde von den Diskussionsteilnehmenden als ein Versuch gewertet, eigene Urteile zu objektivieren und überzeugende Argumente zu formulieren, die über ästhetische Eindrücke oder subjektive Vorlieben hinausgehen.
Objektivität in der Jury: Ein Balanceakt zwischen Fachwissen und Offenheit
Zum Schluss stellt die Moderatorin Julie Metzdorf die Frage: Bietet die Methode der Entscheidungsfindung Objektivität? In dem Sinne, dass versucht würde, eine Objektivierung über unterschiedliche Instrumente herzustellen: über die Versprachlichung, aber auch über die Berücksichtigung unterschiedlicher Disziplinen bei der Zusammensetzung der Jury, die hohen fachlichen Qualifikationen der einzelnen Jurymitglieder und die offene Haltung in der Gesprächsführung, die grundsätzliches Interesse an der Position des Anderen voraussetze. In der Talkrunde war deutlich, dass zumindest eine Annäherung an Objektivität über die Methode der Entscheidungsfindung hergestellt werden könne.
Die rund 180 Gäste hatten für den anschließenden Ausstellungsrundgang also ausreichend Gesprächsstoff und Ansätze für die eigene Auseinandersetzung mit den Wettbewerbsbeiträgen. Auf der Website der Danner-Stiftung können sich Interessierte selbst einen Eindruck verschaffen: Welches Werk spricht sie an? Und warum? Und wäre ihre Wahl ähnlich ausgefallen?
Künstlerisches Gestalten und Kunsthandwerk ist auch Teil der Kultur- und Kreativwirtschaft. Wenn du in diesem Bereich tätig bist, kannst du gerne eine Orientierungsberatung buchen. Mit der bayernkreativSTUNDE bieten wir dir ein kostenfreies, einstündiges 1:1-Beratungsgespräch mit unseren Branchenexpertinnen und -experten. Termine können jederzeit online gebucht werden.
Über die Danner-Stiftung: Das Bestreben der Danner-Stiftung, gegründet im Jahr 1920 von Therese Danner im Gedenken an ihren bereits im Jahr 1917 verstorbenen Ehemann Benno, ist es, Anreize für herausragende kunsthandwerkliche Leistungen zu geben und dem Kunsthandwerk unserer Zeit zu Anerkennung und Wertschätzung auf möglichst breiter Ebene zu verhelfen. Bayern ist das einzige Land in der Bundesrepublik Deutschland, das sich glücklich schätzen kann, eine solche Fördereinrichtung für das Kunsthandwerk zu besitzen.
Quelle: Danner-Stiftung