Wie kam es dazu, dass Clemens Rudolph vom Jongleur und Feuerkünstler zur Schaffung von 3D-Projektionen auf Fassaden und in virtuellen Räumen fand? Warum inspirierte ihn eine Bildmanipulation einer Saiga-Antilope zu seinem Logo? Und was hat seine frühe Erfahrung mit Computern als Achtjähriger mit seiner Arbeit heute zu tun? In unseren Interview gibt Clemens Einblicke in seinen spannenden Werdegang und erzählt, wie er mit seiner Produktionsfirma Antrilope digitale Kunst neu denkt und im öffentlichen Raum umsetzt.
Medienkünstler & Projektionsexperte
Clemens Rudolph ist freischaffender Produzent und Künstler für Film, Computeranimation und Computergrafik. Mit seiner Produktionsfirma Antrilope erschafft er beeindruckende Projektionen auf Fassaden, Räume und Objekte.
Ob digitale Opernbühnen, 3D-Rekonstruktionen oder großflächige Fassadenmappings – Clemens bringt Kunst in den öffentlichen Raum und schafft immersive Erlebnisse.

Clemens Rudolph
Mein größter Meilenstein ist, dass das, was ich mache, mich erfüllt und ich davon leben kann. Ich freue mich, dass es Menschen gibt, die meine Kunst schätzen und sich von ihr „berühren“ lassen.
Clemens Rudolph
Lieber Clemens! Du bist als freischaffender Produzent und Künstler für Film, Computeranimation und Computergrafik tätig und hast eine eigene Produktionsfirma. Als Namensgeber für dein Unternehmen hast du dir das mythische Fabelwesen der Antrilope ausgesucht. Erzähl uns doch mal kurz: Was hat es mit der Antrilope auf sich und was zeichnet dieses Wesen aus?
Irgendwann bin ich im Internet auf eine Bildmanipulation einer Saiga-Antilope gestoßen. Bei dem Bild waren die Hörner, Augen und die Nase des Tieres verdreifacht worden. Das gab dem Tier etwas Mystisches, aber auch etwas Lustiges. Die Saiga-Antilope sieht an sich schon lustig aus mit ihrer rüsselartigen Nase. Das Bild war die Inspiration für mein Logo. Ich sehe darin Analogien zu für mich wichtigen Aspekten wie Tiefe, Poesie, Surrealität, gleichzeitig aber auch Humor und Leichtigkeit. Eine weitere Verbindung: Die Antilope lebt in weiten Steppen. Weite und Freiheit sind mir auf jeden Fall wichtig. Ich bin aber im Gegensatz zu ihr kein Herdentier. Mein Name, AnTRIlope, ist ein Wortspiel aus Antilope und Tri (lat.) für 3D.
Auf deiner Homepage schreibst du, dass die Antrilope die Fähigkeit haben soll, durch Zeit und Raum zu reisen und viel Fantasie zu besitzen. Trifft das auch auf dich zu bzw. hättest du gerne selbst diese Fähigkeiten?
Fantasie habe ich auf jeden Fall, und davon fließt vieles in meine Arbeit ein – egal, ob ich eher auftragsbasiert oder frei künstlerisch arbeite. Die Zeitreisen unternehme ich leider nur im Internet. Wenn ich zu Themen und Inspirationen suche, reise ich zu allen möglichen Epochen, (Kunst-)Techniken oder Ereignissen.
Dein künstlerischer Werdegang nahm seinen Anfang im Straßentheater, wo du als Jongleur, aber auch in Feuer- und Clownshows aufgetreten bist. Von dieser sehr analogen Form der Kunst bist du heute überwiegend im Bereich der (digitalen) Film- und Medienkunst zuhause. Wie kam es zu diesem Wandel?
Das Digitale war schon sehr früh in meinem Leben. Unser erster Computer war ca. 1981 ein Sinclair ZX81 mit 16 kB (!) Speichererweiterung. Da war ich acht Jahre alt. Seitdem haben Computer immer eine Rolle in meinem Leben gespielt. Als Jugendlicher habe ich dann angefangen, Videos zu drehen – auch damals schon alles autodidaktisch.
Wie das Jonglieren in mein Leben kam, weiß ich nicht mehr. Es hat aber einige Jahre meiner „vagabundierenden“ Jugend finanziert. Irgendwann habe ich angefangen, Promomaterial für uns und andere Straßenkünstler zu produzieren: Flyer, Webseiten und Videos. Damit habe ich mehr Geld verdient und musste weniger üben. So wurde das eine immer mehr und das andere immer weniger. Nach einigen weiteren Kurven in meinem Lebenslauf bin ich schließlich bei der Medienkunst angekommen.
Künstlerisch hast du dich vor allem auf Projektionen auf Fassaden, Räume und Gegenstände sowie 3D-Grafiken und -Animationen spezialisiert. Mit welchen Techniken arbeitest du, und was bereitet dir daran am meisten Spaß?
Meine Werke entstehen vor allem im virtuellen 3D-Raum. Dabei arbeite ich mit dem Programm BLENDER. Ich nutze es für Konzepte, Planung und Umsetzung. Teilweise setze ich auch selbst gedrehtes Videomaterial und Fotos ein. Eine weitere Technik sind Punktwolken aus 3D-Scans.
Alle Projekte haben ihren ganz besonderen Reiz. Ich muss mich jedes Mal nicht nur inhaltlich, sondern auch ästhetisch auf das Gebäude und den Ort einlassen. Spannend ist für mich auch, dass ich bei den Mappings das Werk vor Ort das erste Mal in dem Rahmen sehe, für den es gedacht ist. Ich kann vorher nicht testen, da die (Projektions-)Technik dazu zu aufwändig und teuer ist. Zwar setze ich VR ein, um mir vorher eine bessere Vorstellung von Wirkung und Timing zu machen, aber vieles ist Erfahrung. Eine Animation auf meinem Monitor zu sehen, ist einfach etwas ganz anderes als auf einer 60 m großen Fassade. Umso schöner ist es dann zu merken, dass vieles so wirkt, wie erhofft.
Viele meiner Mappings sind im öffentlichen Raum zu sehen. Ich finde es gut, dass so ein sehr niederschwelliger Zugang zu Kunst möglich ist und ein Dialog oder eine Intervention mit dem Ort stattfinden kann. Außerdem liebe ich es, ein Publikum zu haben – das ist mir vom Straßentheater geblieben. Im Gegensatz zu damals kann ich mir jetzt die Menschen und ihre Reaktionen auf mein Werk aber in Ruhe betrachten und mich mit ihnen darüber austauschen.
Wie hat sich deine Arbeit im Laufe der Jahre entwickelt, und was sind einige der wichtigsten Meilensteine, die du erreicht hast?
Ich war immer ein Suchender und wollte neue Dinge anfangen und lernen. Inzwischen bin ich ruhiger und fokussierter geworden, obwohl meine Neugier nicht abgenommen hat. Ich möchte die „unruhige“ Zeit aber nicht missen – ich habe sehr viel aus den unterschiedlichsten Bereichen gelernt. Vieles davon fließt in meine Kunst ein, sei es dramaturgisches, ästhetisches, technisches oder organisatorisches Verständnis.
Mein größter Meilenstein ist, dass das, was ich mache, mich erfüllt und ich davon leben kann. Ich freue mich, dass es Menschen gibt, die meine Kunst schätzen und sich von ihr „berühren“ lassen.
Du stellst deine Fähigkeiten auch für Kundenprojekte zur Verfügung und hast unter anderem bereits mit BMW, OSRAM, der ARD und dem BR zusammengearbeitet. Was war dein bisher spannendstes und herausforderndstes Projekt, und warum gerade das?
Die aufregendsten, personell größten und mit über eineinhalb Stunden Dauer längsten Projekte waren die beiden Opern Tosca und Rheingold. Sie wurden Open Air vom Theater Regensburg im Hafen aufgeführt, mit Live-Gesang und Symphonieorchester. Pro Vorstellung waren ca. 3.000 Menschen vor Ort. Ein altes, 100 m langes und 40 m hohes Lagerhaus im Rücken der Sängerinnen und Sänger war meine Projektionsfläche. Mein Content war eine Mischung aus Bühnenbild und künstlerischer Interpretation des Inhalts. Außerdem wurde noch ein gemischter Live-Kamerafeed von mir eingebunden.
Weil das Orchester nicht durchgehend das Tempo spielte, das ich beim Erstellen des Contents hatte, konnte ich nicht einfach ein Video abspielen, sondern musste viele kurze Clips hintereinander schalten. Neben mir las jemand die Partitur mit und gab mir die vorher besprochenen Einsätze. Ein Timing-Fehler wäre riesengroß sichtbar für alle gewesen. Zum Glück ging aber alles gut, und es waren wirklich schöne Erlebnisse für mich.
Zu guter Letzt: Was sind einige der zukünftigen Projekte, an denen du arbeitest, und was können wir von Antrilope in der Zukunft erwarten?
Zurzeit arbeite ich an der 3D-Rekonstruktion der Synagoge Fulda. Sie wurde in der Reichspogromnacht 1938 zerstört. Als Grundlage habe ich nur alte Pläne und ein paar Schwarz-Weiß-Fotos. Der Innenraum ist mit wunderschönen (Wand-)Ornamenten geschmückt. Die Synagoge auf Grundlage der dünnen Datenbasis wiederherzustellen, bereitet mir manchmal Kopfzerbrechen.
Ich bin sehr dankbar, dass ich an diesem Projekt arbeiten darf. Zum einen ist es für mich wie eine kulturelle Verpflichtung, zum anderen finde ich den Einsatz von 3D hier wirklich sinnvoll. Menschen können jetzt vielleicht ein bisschen besser erahnen, was hier verloren gegangen ist.
Ansonsten hoffe ich, noch viele weitere Mappings und Installationen auf der ganzen Welt gestalten zu können.






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