Stefan Kuntz berät seit über 40 Jahren Kreative und Künstler zu unternehmerischen Fragen. Wir haben mit ihm über eines seiner Spezialthemen gesprochen: Sozialversicherung für Kreative.  

bayernkreativ: Herr Kuntz, lässt sich in wenigen Worten beschreiben, was Sozialversicherung eigentlich ist?

Stefan Kuntz: Das ist eigentlich ganz einfach. Bei der Sozialversicherung handelt es sich um eine Versicherung gegen finanzielle Probleme, die durch Krankheiten oder mangelnde Einkünfte vor allem im Alter entstehen können. In Deutschland muss jeder krankenversichert sein, manche Berufe auch rentenversichert.

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Sozialversicherung ist eine teure Sache …

Das stimmt. Die Krankenversicherung ­− inklusive der immer dazu gehörenden Pflegeversicherung ­− kostet bei den gesetzlichen Krankenkassen immerhin 17,65 Prozent* des Einkommens. Ganz egal wie niedrig das Einkommen ist, sind mindestens 133 Euro* zu bezahlen. Bei höheren Einkommen ist der Beitrag bei 768 Euro pro Monat gedeckelt.

Kein Wunder, dass sich da viele lieber privat versichern, um geringere Beiträge zu zahlen oder für ihr Geld mehr Leistungen zu erhalten!

Eine private Krankenkasse kostet für gut verdienende, gesunde, junge Leute weniger, kann aber im Alter sehr teuer werden. Es gilt, die Vor- und Nachteile der privaten gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen sehr gut und vor allem mit Blick auf die eigene künftige Lebensplanung (Familie!) abzuwägen.


Sie haben auch die Rentenversicherung als Teil der Sozialversicherung erwähnt …

Die Rentenversicherung kostet noch einmal 18,7 Prozent* des Einkommens. Sie fängt bei 33 Euro/Monat* an und hört bei 1.187 Euro* auf.

Für künstlerisch Tätige gibt es aber eine Alternative.

Die meisten werden schon davon gehört haben: Künstler können sich alternativ zur üblichen gesetzlichen Rentenversicherung auch über die Künstlersozialkasse versichern lassen. Selbstständige Künstler und Publizisten sind damit vergleichsweise preiswert und fast genauso umfangreich wie Arbeitnehmer versichert. Aufgrund der besonderen Regularien der KSK müssen sie nämlich nur für die Hälfte der obigen Prozentsätze aufkommen. Damit sind sie also wesentlich günstiger versichert als andere Selbstständige.

Und wie wird man Mitglied der Künstlersozialkasse?

Indem man einen Antrag stellt. Der Antrag ist leider schwierig, man sollte sich dabei helfen lassen. Die Beiträge zur KSK werden wie bei allen gesetzlich Versicherten prozentual berechnet. Das zugrunde liegende Einkommen wird im Voraus geschätzt.

Was ist die „KSK“ eigentlich?

1983 wurde auf Druck von Künstlern und Künstlerverbänden wie dem Verband deutscher Schriftsteller vom Deutschen Bundestag das Künstlersozialversicherungsgesetz beschlossen. Es soll vor allem das Problem der Altersarmut der Künstler lösen. Die Künstlersozialversicherung ist eine Sonderreglung für einen ganz bestimmten Kreis von Personen, eben Künstler und Publizisten. Ähnliche Sonderreglungen gibt es auch für Landwirte, Hebammen, Seelotsen und Bergleute.

Das klingt doch gut. Warum wird die KSK denn dann immer wieder so kontrovers diskutiert?

Wie bei allen Sonderreglungen gibt es auch bei der KSK immer das Problem „warum nicht wir, warum aber die anderen“? Letzten Endes muss man antworten: Der Bundestag hat diese Sonderreglung auf Künstler und Publizisten begrenzt, weil er das für gesellschaftspolitisch richtig hielt. Damit einhergehend musste er natürlich Regeln vorgeben, wie Künstler und Publizisten definiert werden. Und aus diesen Regeln, eben dem Künstlersozialversicherungsgesetz, rühren die Probleme.

Grundsätzlich geht es also um eine bürokratische Entscheidung darüber, wer „schon“ künstlerisch und wer „nur“ kreativ arbeitet?

Der bildende Künstler, der im Rahmen eines Land-art-Projektes Skulpturen auf Felder stellt, muss eben unterschieden werden von dem Landwirt, der Vogelscheuchen auf seine Felder stellt; und der Designer, der eine Website gestaltet, von einem Programmierer, der mit einer speziellen Software Internet-Shops baut. Mit der Konsequenz, dass der bildende Künstler und die Designerin über die KSK versichert werden können, der Landwirt und der Programmierer aber nicht.

Das hört sich aber doch ganz einfach und klar an.

Dass Webseiten-Design ohne Programmierung kaum möglich ist ­− und umgekehrt auch nicht ­−  werden viele Sachbearbeiter der KSK verstehen. Aber deshalb können sie noch lange nicht die Vorgaben durch das KSVG ändern. Die Regeln hinken der Entwicklung der Technologien und der Kultur- und Kreativwirtschaft hinterher. Diese Diskrepanzen müssen mit Lobbyarbeit geändert oder eben ausgehalten werden!

An welche Regeln müssen sich künstlerisch Tätige im Rahmen der derzeitigen Gesetzgebung halten, damit sie über die KSK versichert werden können?

Künstler und Publizisten, die über die KSK versichert werden wollen und versichert bleiben wollen, müssen mit ihrer selbstständigen Tätigkeit mehr als 3.900 Euro pro Jahr Gewinn erzielen. Für Berufsfänger gibt es Einstiegsregelungen.

Warum ist es eigentlich manchmal so schwierig, über die KSK versichert zu werden?

Häufig gibt es Probleme mit den Nachweisen. Zum Beispiel stellt sich oft heraus, dass die selbstständige nur eine scheinselbstständige Arbeit ist und eigentlich als Arbeitnehmer ausgeführt werden müsste. Das gibt viel Ärger, vor allem für den Arbeitgeber. Oder die Nachweise sind einfach wenig überzeugend.

Muss man also exklusiv selbstständiger Künstler sein?

Künstler und Publizisten dürfen gleichzeitig als Arbeitnehmer arbeiten, das ist kein Problem. Aber sie dürfen nur sehr begrenzt eine zweite, selbstständige Tätigkeit ausüben, wenn sie nicht-künstlerischer oder nicht-publizistischer Art ist.

Die Grenze beträgt 5.400 Euro Gewinn pro Jahr in dieser nicht-künstlerischen oder nicht-publizistischen Tätigkeit. Liegt der Gewinn darüber, kann Mann / Frau nicht mehr über die KSK krankenversichert sein, sondern ist gezwungen, sich bei seiner gesetzlichen Krankenkasse „freiwillig“ zu versichern, was dann eben doppelt so teuer ist, weil der volle Beitrag zu entrichten ist. Erzielt man gar mehr als 38.100 Euro Gewinn pro Jahr, kann man auch nicht mehr über die KSK rentenversichert sein, fliegt also komplett raus.

Können Sie uns das an einem Beispiel erläutern?

Eine Textildesignerin aus Rosenheim entwirft Aufdrucke für T-Shirts. Die T-Shirts kauft sie ein, bedruckt sie mit dem eigenen Entwurf in Kleinserien und verkauft die fertigen T-Shirts. Damit erzielt sie einen Gewinn von 3.500 Euro. Außerdem verkauft sie auch Entwürfe, also das Design, zur Nutzung an Sportvereine. Damit macht sie 4.000 Euro Gewinn − Versicherung über die KSK ist möglich. Nach einiger Zeit will sie auch T-Shirts von anderen Herstellern verkaufen. Als sie merkt, dass sie dann ja Händlerin und gewerblich tätig wird und ihren KSK-Versicherungsschutz aufs Spiel setzt, sobald der Gewinn aus dem kommerziellen Bereich über 5.400 Euro liegt, lässt sie die Finger davon und lagert diesen Bereich deswegen in das Modegeschäft ihres Mannes aus, bei dem sie dann zusätzlich angestellt ist. Ebenfalls kein Problem mit der KSK – für ihren Mann ist diese sozialversicherungspflichtige Beschäftigung allerdings teuer. Obwohl sie netto nur 1.300 Euro bekommt, muss er rund 1.000 Euro an Beiträgen drauflegen.

Und was passiert, wenn sich diese Designerin dann doch für eine Beendigung ihrer KSK-Mitgliedschaft entscheidet?

Das Beispiel geht noch weiter: Nun wandert ihr Mann nach Texas aus. Sie kauft ihm den Laden ab und führt ihn alleine weiter. „Leider“ läuft der Laden besser als zuvor, ihr Gewinn beträgt schon im ersten Jahr 42.000 Euro. Die Konsequenz: Sie fliegt aus der KSK raus und zwar komplett! Ihr Gewinn aus der künstlerischen Tätigkeit bleibt bei 7.000 Euro pro Jahr, der Gesamtgewinn bei 49.000 Euro. Dafür zahlt sie als kinderlose Frau 17,9 Prozent Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag, das sind monatlich 731 Euro. Dabei ist sie nicht mehr rentenversichert, weil sie sich das nicht leisten mag.

Kann man eigentlich wieder zurück in die KSK wechseln?

Auch dies kann man an dem Beispiel gut zeigen. Die Frau stellt irgendwann fest, dass sie doch lieber nur als Designerin arbeitet und verkauft die Nutzungsrechte ihrer Designs jetzt auch lukrativ an ein Modehaus. Den Laden verkauft sie an ihre Freundin, die den Kaufpreis in vielen Jahresraten zu je 5.000 Euro abstottert, mit einer Bürgschaft gesichert. Sie zahlt jetzt für ihren Jahresgewinn als Designerin von 40.000 Euro monatlich 642 Euro Beitrag an die KSK, die sie ohne Probleme wieder aufnimmt. Die 5.000 Euro aus dem Ladenverkauf liegen unter 5.400 Euro und bleiben beitragsfrei.

Ihr Rat an Kreativschaffende? 

Akteure aus der Kultur- und Kreativwirtschaft, die auch am Rande von Kunst tätig sind, sollten versuchen, ihren Jahresgewinn aus der nicht-künstlerischen, selbstständigen Tätigkeit auf unter 5.400 Euro zu begrenzen und zunächst die günstigen Sozialversicherungsbeiträge der Künstlersozialkasse nutzen.Wenn diese Akteure dann nach einigen Jahren merken, dass sie im nicht-künstlerischen Sektor viel mehr Gewinn und Zufriedenheit erzielen und sich wie andere Selbstständigen ganz normale, hohe Beiträge leisten können, dann sollten sie der KSK „Ade!“ sagen.

* alle Angaben Stand 2017.


Infos, Formulare und weitere Beratung:

Auf Stefan Kuntz‘ Website www.kuenstlerrat.de findet sich auch der Antrag für die Aufnahme in die Künstlersozialkasse http://www.kuenstlersozialkasse.de/kuenstler-und-publizisten/anmeldung.html